2.1 Die Mifri stört nur
Den operativ für das Wachstum verantwortlichen Manager, sei es in Vertrieb oder Marketing, interessieren solche Diskussionen nicht. Vom Tagesgeschäft komplett beansprucht, versucht er, die alljährlich fällige Überarbeitung der Mittelfristplanung rasch abzuarbeiten. Auf dem Schreibtisch türmen sich die Aufgaben: zahlreiche noch nicht beantwortete Mails, überfällige telefonische Rückrufe und die Vorbereitung der nächsten Besprechung. Da kommt die Aufforderung zur Mittelfristplanung gerade recht. Auch ist die Mifri für die Erreichung seiner persönlichen Ziele eher nebensächlich. Da zählen Absatzzahlen, Umsatzrendite oder Kosteneinhaltung wesentlich mehr. Mangels Zeit muss irgendetwas "hinten runterfallen". Diese Situation stand für ein klassisches Bild unseres Seminarprogramms Pate: Der für Marktbearbeitung zuständige Manager sitzt vor einem vollen Schreibtisch (s. Abb. 1). Das eine oder andere Blatt droht vom Schreibtisch zu fallen. Mittendrin liegt die Mifri, eingerahmt von strategischem Formular und Deckungsbeitragsrechnung.
Wer nun fragt, wer da links an der Ecke des Schreibtisches hockt, dem könnte unser Vertriebsmanager antworten, dies sei der Controller, der "ihm im Nacken sitzt". Und vielleicht beschreibt es auch die Erfahrung vieler Kolleginnen und Kollegen insofern gut, dass ohne Erinnerungen und Mahnungen die entsprechenden Planungen nicht pünktlich abgegeben werden. Der Vertriebsmanager steht ständig unter Zeitdruck. Da ist der Kunde, der abzuwandern droht, das Akquise-Gespräch mit dem neuen Großkunden muss vorbereitet werden, Produkteinführungen sind mit dem Marketing abzustimmen, die nächste Außendienst-Konferenz naht usw. Die Mifri hält nur von der Arbeit ab.
Abb. 1: Der Manager bei der Mittelfristplanung
2.2 Wachstum durch Fortschreibung ist schnell geplant
Immer der gleiche Ansatz
Entsprechend wenig Zeit wird der Überarbeitung der Mittelfristplanung zugestanden. So beschränkt man sich darauf, auf Basis der bestehenden Jahresplanung einen Prozentsatz (Inflationsausgleich, Mengenwachstum, etc.) hinzuzurechnen. Jeden Artikel und jede Kostenart kann die moderne EDV fortschreiben. Schnell sind 3 bis 5 weitere Jahre erstellt, die dann gemeinsam mit dem Budget die Mittelfristplanung bilden. Im Laufe der Zeit entsteht ein vermutlich bekanntes Bild (s. Abb. 2).
Abb. 2: Das Ergebnis der Mittelfristplanungen im Zeitablauf
Die Hoffnung heißt hockeystick
Das 1. Jahr ist bekanntermaßen das schwerste und so wird dort eher verhalten geplant. Aber um die mittelfristigen Ziele darzustellen, werden entsprechende Steigerungen in die Zahlen der dann folgenden Jahre hinein geschrieben. Dieser Effekt wird spöttisch der "Hockey Stick"-Effekt genannt.
Nicht dass man die Zahlen nicht begründen könnte. Gehen wir beispielhaft ein paar Jahre in der Zeit zurück.
- Von 2006 auf 2007 wurde die Mehrwertsteuer von 16 % auf 19 % erhöht. So ging man im Privatkundenbereich von vorgezogenen Anschaffungen aus, die in 2007 im Umsatz fehlen würden, aber dieser Einmaleffekt würde sich in den nächsten Jahren nicht wiederholen. Dort konnte man von dem üblichen Wachstum ausgehen.
- Wenn man nun in 2007 die Planung für 2008 machte, gab es eine ähnliche Überlegung. Die Auswirkungen der Unternehmensteuerreform waren schlecht einschätzbar. Es gab die Senkung des Körperschaftsteuersatzes, aber auch Hinzurechnungen bei der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer. Vorsichtshalber ging man für dieses "eine" Jahr von einer "Nullplanung", d. h. unveränderten Umsätzen aus.
- Und wieder ein Jahr später kam die Weltwirtschaftskrise …
So sind die Gründe über die Jahre wechselnd - der Hockey-Schläger bleibt.
2.3 Die falschen Annahmen
Wenn man das Vorgehen beschreiben möchte, dann genügen 3 Worte: einfach, bequem und falsch. Das beginnt mit simplen Dingen. Wenn im 1. Jahr 5 % auf 10 Mio. gerechnet werden, dann ist das naturgemäß weniger, als wenn im 5. Jahr 5 % auf dann schon 12,1 Mio. gerechnet werden. Die lineare Grafik passt nicht zu den Zahlen.
Abb. 3: Wachstumslücke zwischen Wunsch und Prognose
Lebenszyklus berücksichtigen
Schlimmer ist der damit verbundene inhaltliche Fehler. Man darf sich fragen, weshalb z. B. der Umsatz mit fortschreitender Zeit immer schneller wächst. Handelt es sich um ein "permanentes Lawinengeschäft", eines, das die Anfangsphase nie verlässt? Lawinengeschäfte fangen sehr langsam an, nehmen Geschwindigkeit auf, um sich dann totzulaufen. Die meisten Produkte folgen diesem Prinzip. Früher oder später verfallen Mengen und Preise. Es zeigt sich, dass die lineare Grafik in Abb. 3 ohne ergänzende Annahmen eindeutig unrealistisch ist.
Es ergibt sich eine Wachstumslücke. Die Differenz aus Ziel/Wunsch und plausibler "Erwartung bei Nichtstun" ist durch den Businessplan zu schließen. Er ist darum der wichtigste Teil der Mittelfristplanung.
2.4 Was die Mittelfristplanung sein könnte und sollte
Ein Formular als Schrittmacher
Zugleich ist der Businessplan der sensibelste Teil der Mifri. Die z. B. aus dem Lebenszyklus heraus ermittelte Wachstumslücke muss durch neue Ideen der Marktbearbeitung geschlossen werden. Dort, wo Neues eingeschätzt werden muss, versagt die Erfahrung. Um dieses Planungsr...