Dr. Hubertus Gschwendtner
Leitsatz
* 1. Für die Mitunternehmerschaft ist neben der Beteiligung an den laufenden Gewinnen des Unternehmens grundsätzlich auch eine Teilhabe an den stillen Reserven einschließlich eines Geschäftswerts bei Beendigung der Gesellschaft erforderlich. Die fehlende Teilnahme am Geschäftswert kann durch ein hohes Mitunternehmerrisiko in Bezug auf das laufende Betriebsergebnis und eine besonders ausgeprägte Mitunternehmerinitiative ausgeglichen sein.
2. Auch wenn ein Gesellschafter nur gemeinschaftlich mit einem anderen an der Geschäftsführung der Gesellschaft mitwirken kann oder seine Tätigkeit auf bestimmte Aufgabenbereiche beschränkt ist, kann dadurch eine fehlende Beteiligung am Geschäftswert kompensiert werden. Erforderlich ist jedoch, dass der Gesellschafter wie ein Unternehmer das Schicksal des Unternehmens beeinflussen kann; es genügt nicht, dass seine Dienstleistungen für das Unternehmen von wirtschaftlichem Gewicht sind.
* Leitsätze nicht amtlich
Normenkette
§ 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG , § 230 HGB , § 133 BGB , § 157 BGB , § 709 BGB
Sachverhalt
Der Kläger sollte sich am 1.1.1984 als atypisch stiller Gesellschafter am Gewerbebetrieb seines Bruders beteiligen. Seine Einlage bestand in der Beschaffung eines Kredits zugunsten des Unternehmens seitens der Sparkasse X durch Übernahme selbstschuldnerischer Bürgschaften, die er gegenüber der Sparkasse eingegangen war, um deren Darlehensforderungen gegen das Unternehmen zu sichern. Für den Fall einer Inanspruchnahme des Klägers aus diesen Bürgschaften sollte die auf ihn übergegangene Forderung als Einlage dienen.
Der Kläger war zunächst von der Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft und von einer Beteiligung am Geschäftswert des Unternehmens ausgeschlossen. Im Mai 1984 wurde der Gesellschaftsvertrag in der Weise ergänzt, dass der Kläger rückwirkend zum 1.1.1984 auch an der Geschäftsführung beteiligt wurde; diese sollte sich jedoch nicht auf die Überwachung der Finanzierung und der Buchführungspflichten erstrecken. Der Kläger wurde aus der Bürgschaft in Anspruch genommen.
Das FA berücksichtigte den vom Kläger für das Streitjahr 1984 geltend gemachten Verlustanteil nicht und erließ einen negativen Feststellungsbescheid. Der Kläger sei nicht Mitunternehmer geworden. Das FG wies die Klage ab.
Entscheidung
Der BFH wies die Sache an das FG zurück. Die Voraussetzungen einer Mitunternehmerschaft bei einer BGB-lnnengesellschaft seien nicht erfüllt, wenn der Gesellschafter zwar Mitunternehmerinitiative entfalten könne, aber kein Mitunternehmerrisiko durch Beteiligung am Geschäftswert trage.
Dies sei nur anders, wenn dieser Mangel durch eine besonders ausgeprägte Mitunternehmerinitiative ausgeglichen werde, wie dies bei einer gemeinschaftlichen Geschäftsführung der Fall sein könne. Entscheidend sei, dass der Gesellschafter wie ein Unternehmer Einfluss auf das Unternehmen und damit seine Erfolgsbeteiligung nehmen könne. Dazu genüge zwar eine Mitgeschäftsführung, es sei aber fraglich, ob eine solche hier vorliege oder ob der Kläger nur die Stellung eines nicht mitentscheidenden Unternehmensberaters gehabt habe. Das müsse das FG noch aufklären.
Hinweis
Die im Streitfall zu entscheidende Frage, ob die Übernahme einer Bürgschaft und die Beteiligung mit der hieraus evtl. entstehenden Regressforderung eine stille Gesellschaft an einem Einzelunternehmen begründen kann, würde handelsrechtlich große Diskussionen darüber auslösen, ob eine stille Gesellschaft eine Einlage i.S.v. "bilanzierbaren Vermögensgegenständen" voraussetzt oder ob die Leistungen genügen, die als Beitrag i.S.v. § 705 BGB in Betracht kommen (vgl. dazu Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., Seite 572 ff., 1840 ff.).
Steuerrechtlich kann die Frage – von Ausnahmefällen wie der Verlustabzugsbeschränkung nach § 15a EStG abgesehen, die eine bilanzierungsfähige Einlage in das Kapitalkonto verlangt (vgl. dazu BFH, Urteil vom 10.7.2001, VIII R 45/98, BFH-PR 2001, 378) – regelmäßig offen bleiben, wenn zu klären ist, ob eine Mitunternehmerschaft vorliegt und welche Folgen sich an diese knüpfen. Denn alle Leistungen, die Beiträge i.S.v. § 705 BGB sind, können – wenn sie nicht bereits eine atypisch stille Gesellschaft begründen – jedenfalls zu einer Mitunternehmerschaft in der Form einer BGB-Innengesellschaft führen.
Bei Gesellschaftern einer BGB-Innengesellschaft, die beschränkt nach § 15a EStG oder gar nicht nach außen haften, sind insoweit allerdings Besonderheiten zu beachten. Regelmäßig muss der Gesellschafter nicht nur am laufenden Gewinn und Verlust, sondern auch an den Wertsteigerungen des Unternehmens beteiligt sein (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. BFH, Urteil vom 19.12.2002, VIII R 20/01, BFH/NV, 2003, 601 m.w.N.). Ausnahmsweise kann dies aber anders sein, wenn der Gesellschafter in erheblichem Umfang am Gewinn beteiligt ist und eine besonders ausgeprägte Mitunternehmerinitiative entfalten kann. Das ist dann anzunehmen, wenn er wie ein Unternehmer auf das Schicksal des Betriebs und damit auch auf seine Erfolgsbet...