Prof. Dr. Ronald Gleich, Dr. Peter Schentler
Das Beispielunternehmen beschäftigt 800 Mitarbeiter. Es ist im Business-to-Business-Bereich als Teilezulieferer für Maschinen- und Anlagenbauer tätig. Das Unternehmen ist in Familienbesitz, wobei jedoch keine Familienmitglieder im Management tätig sind. Die durchschnittliche Betriebszugehörigkeit des Managements und der Mitarbeiter ist hoch.
Komplexes Vergütungssystem
Das Unternehmen hat intensiv diskutiert, inwieweit die Mitarbeiter im Rahmen einer variablen Vergütung am Unternehmenserfolg beteiligt werden. In der Vergangenheit waren die zu erreichenden Ziele ausschließlich an die Budgetziele gekoppelt, was zu Verhandlungen über die Zielhöhe geführt hat. Folgende Probleme traten auf:
- Auch wenn beide Seiten schlussendlich meist der Meinung waren, dass die definierten Ziele sowohl anspruchsvoll als auch erreichbar waren, wurde der Prozess der Zielfindung als sehr aufwendig beschrieben und hat den jährlichen Planungszeitraum deutlich verlängert.
- Durch den ausschließlichen Fokus auf Budgetziele wurde die Weiterentwicklung des Unternehmens, z. B. in Form von mehrjährigen strategischen Projekten, vernachlässigt.
Unterschiedliche Zielsysteme im Unternehmen
Zusätzlich gab es viele unterschiedliche Zielsysteme im Unternehmen, was einen hohen Aufwand für das Personalwesen bedeutet hat und teilweise auch zu Missstimmung im Unternehmen führte, da sich einige Mitarbeiter im Vergleich mit anderen ungerecht behandelt fühlten. Aus diesen Gründen fand im Jahr 2007 eine Überarbeitung des Zielsystems statt.
Die Lösung
Der Anteil der variablen Vergütung an der Gesamtvergütung und die Ausgestaltung dieses Anteils erfolgt je Hierarchieebene unterschiedlich. Jeder Mitarbeiter hat drei variable Vergütungsanteile:
- Unternehmensanteil
- Bereichs-/Abteilungsanteil
- Persönlicher Anteil
Der Unternehmensanteil basiert auf der Differenz des aktuellen EGTs (Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit: EGT = EBIT + Finanzergebnis) zum vorjährigen EGT. Steigt das EGT im Vergleich zum Vorjahr an, werden 30 % der Steigerung auf die Mitarbeiter aufgeteilt. Im Falle eines negativen EGTs erfolgt keine Aufteilung. Der Aufteilungsschlüssel umfasst dabei sowohl die Hierarchiestufe, den Beschäftigungsumfang, das Gehalt und die Betriebszugehörigkeit. Als grundlegendes Ziel liegt in jedem Jahr eine 5 %ige EGT-Steigerung zugrunde. Wird diese erreicht, können
- Führungskräfte der ersten Hierarchieebene mit einem variablen Anteil von rund 25 % ihres Jahresgehalts,
- Führungskräfte der zweiten/dritten Ebene mit 8 bis 12 % und
- übrige Mitarbeiter mit 3 bis 5 %
rechnen. Der genaue Anteil ist pro Mitarbeiter unterschiedlich und ergibt sich aus dem Aufteilungsschlüssel. Ist die EGT-Steigerung geringer oder höher, ändert sich auch der variable Gehaltsanteil. Beispielsweise erhalten die Führungskräfte bei 4 % EGT einen 20 %-igen Anteil am Jahresgehalt, bei 3 % einen 15 %-igen Anteil. Ist das EGT negativ, wird kein variabler Anteil am Unternehmenserfolg ausgeschüttet, die Bereichs-/Abteilungs- und persönlichen Ziele bleiben davon aber unberührt.
Bereichs- und Abteilungsanteil
Der Bereichs- und Abteilungsanteil basiert auf den im Rahmen der Planung festgelegten Zielen für die Bereiche; diese werden je Bereich/Abteilung mit der Geschäftsführung und den Eigentümern definiert. Dabei kann es sich sowohl um monetäre Ziele (z. B. Produktionskosten pro Teil) als auch um nicht monetäre Ziele (z. B. Ausschuss in der Produktion) handeln. Um das Zielsystem nicht zu komplex zu gestalten, werden maximal 3 Ziele festgelegt, wobei für die Geschäftsführung/1. Führungsebene keine persönlichen Ziele festgelegt werden.
Persönlicher Anteil
Der persönliche Anteil setzt sich bei allen Mitarbeitern aus unterschiedlichen Themen zusammen, die im jährlichen Mitarbeitergespräch mit ihren Vorgesetzten festgelegt und im Folgejahr evaluiert werden. Inhalte könnten die Umsetzung von Projekten (z. B. Einführung eines CRM-Systems) oder persönliche Weiterentwicklungsziele sein. Auch hier sind maximal 3 Ziele festzulegen. Der Übergang zu Bereichszielen ist teilweise fließend, das als Beispiel erwähnte CRM-System könnte auch als Bereichs- oder Abteilungsziel Verwendung finden.
Das gesamte Zielsystem ist in Tab. 1 dargestellt.
|
Unternehmensziel (1 Ziel) |
Bereichs-/ Abteilungsziele (maximal 3 Ziele) |
persönliche Ziele (maximal 3 Ziele) |
1. Führungsebene/Geschäftsführung |
~ 25 % (*) |
10 % |
–-- |
2. und 3. Führungsebene |
~ 8 bis 12 % (*) |
5 % |
5 % |
Übrige Mitarbeiter |
3 bis 5 % (*) |
3 % |
(**) |
Tab. 1: Zielsystem
(*) Bei einer angenommenen EGT-Steigerung von 5 %.
(**) Im Rahmen der Mitarbeitergespräche werden Ziele vereinbart, die jedoch keinen direkten Einfluss auf die variable Vergütung haben.
Der große Vorteil des neuen Zielsystems liegt in der ausgewogeneren Zielsetzung, der stärkeren Kopplung des tatsächlichen an den bisherigen (und nicht den geplanten) Erfolg des Unternehmens und der Einbindung von nicht monetären Bereichszielen in die Zielsetzung. Nachteilig ist die höhere Komplexität des Zielsystems, die mehr Aufwand in der Ziel...