Dr. Walter Schmidt, Manfred Blachfellner
Erweiterte Sicht auf die Risiken
Eine auf Wertorientierung ausgerichtete Unternehmensführung muss die volatile Umwelt als Normalfall berücksichtigen. Dies ist zwar bereits das grundlegende Fundament der klassischen Wertorientierung. Nur fließen dort die Risiken viel zu pauschal und aus der einseitigen Sicht des Kapitalmarktes in das Bewertungsmodell ein. Basierend auf den Überlegungen zum Capital Asset Pricing Model wird in der Regel das Risiko, welches die Volatilität des gesamten Unternehmens repräsentiert, über den Zinssatz im Modell berücksichtigt – soweit dieser sich im Kapitalmarkt widerspiegelt. Mit dem auf Vergangenheitsdaten basierenden systematischen Risiko wird das abweichende Verhalten zum Marktportfolio (in der Regel über einen Index) einbezogen.
Schwächen der Kapitalmarktorientierung
Bereits mit der Heranziehung von Vergangenheits- anstelle von Zukunftsdaten wird ein grundlegender Fehler gemacht. Dies trifft insbesondere für die Ableitung der Zinssätze aus dem Beta-Faktor zu, was Grundlage praktisch aller kapitalmarktorientierter Verfahren ist. Aber auch einfache Fortschreibungen basieren genau genommen auf Vergangenheitsdaten. Hinzu kommen ein unvollkommener Kapitalmarkt und die unternehmerische Wirklichkeit: Jedes unternehmerische Datum, jede Variable, jede Handlungsalternative, jedes Projekt, jedes Szenario und jede Werterwartung ist mit einer spezifischen Unsicherheit verbunden. Gleiche Werterwartungen haben i. d. R. verschiedene spezifische Unsicherheitsannahmen. Wenn die Werterwartungen die dahinterliegenden Risiken nicht berücksichtigen, wird eine wichtige Dimension der Unternehmensführung ignoriert. Das kann zu falschen Entscheidungen führen. Daher sollten Wertschöpfungsziele auf allen Ebenen um eine Risikodimension erweitert und an den Zielen des Unternehmens und seiner relevanten Stakeholder ausgerichtet werden.
Gesamtrisiko über Verteilungskurven simulieren
Weitere Schwierigkeiten ergeben sich dadurch, dass das Gesamtrisiko nicht durch Addition der Einzelrisiken ermittelt werden kann, da die Risiken i. d. R. nicht gleichzeitig eintreten. Daher wird bei einer reinen Addition der Risiken eines Unternehmens das Gesamtrisiko maßlos überschätzt. Die empfehlenswerte Methode muss daher durch eine Simulation Modelle von möglichen Ergebnissen erzeugen, welche durch Substitution einer Reihe von Werten (der so genannten Wahrscheinlichkeitsverteilung) für jeden Unbestimmtheitsfaktor errechnet werden. Diese – als Monte Carlo-Simulation bekannte Methode – generiert damit realistische Verteilungen von möglichen Ergebniswerten unter Berücksichtigung der Risiken (vgl. Abb. 9).
Abb. 9: Management der integrierten Risiken aller Kapitalarten
Neue Art der Abweichungsanalyse
Moderne Wertorientierung verändert damit auch die im Controlling übliche Abweichungsanalyse. Wenn der Planwert als Verteilung dargestellt werden muss, bildet der Istwert einen Zufallswert aus einer gegebenen Verteilung. Das Verständnis von Abweichungen als Differenz zwischen Planwert und Istwert stellt dann keinen sinnvollen Zusammenhang mehr dar. Stattdessen muss nunmehr in der Analyse festgestellt werden, ob die Abweichung auf bekannte Risiken zurückzuführen ist. Falls dies nicht der Fall ist, wurde ein neues Risiko erkannt und ist in der zukünftigen Planung zu berücksichtigen. Falls die Abweichung auf ein gekanntes Risiko zurückzuführen ist, ist die Planung adäquat. Es sind jedoch die zugrunde gelegten Wahrscheinlichkeiten zu hinterfragen.