Prof. Dr. Silke Wickel-Kirsch, Volker Schaumburg
Entstehung des Personalcontrollings
Das Personalcontrolling gibt es in der deutschen Praxis seit Mitte der 1980er Jahre und auch in der Theorie wird die Thematik seit dieser Zeit vermehrt aufgegriffen und weiterentwickelt. Ein wichtiger Meilenstein für das Personalcontrolling war eine empirische Studie im Jahr 1993, in der zum ersten Mal die Unterscheidung zwischen faktor- und prozessorientiertem Personalcontrolling eingeführt wurde. Diese Differenzierung bezieht sich auf den sog. Controllinggegenstand.
- Das faktororientierte Personalcontrolling beschäftigt sich mit der Messung, Informationsaufbereitung und Steuerung aller Daten zum Produktionsfaktor "Personal" und gibt Auskunft über Fragen zur Statistik wie Durchschnittsalter oder Frauenanteil in Führungspositionen, aber auch zu Führungsthemen wie Zufriedenheit mit den Vorgesetzten oder Fehlzeitenquoten.
- Das prozessorientierte Personalcontrolling hingegen beschäftigt sich mit den Prozessen in der Personalabteilung sowie deren Effizienz und Effektivität. Hierbei werden Messungen vorgenommen wie etwa Anzahl der Gehaltsabrechnungen pro Mitarbeiter, Dauer einer Beschaffungsmaßnahme und Erfolg von Personalmarketingaktivitäten.
Obwohl seit 25 Jahren sowohl das faktor- als auch das prozessorientierte Personalcontrolling in Theorie und Praxis bekannt sind, werden beide Disziplinen in vielen Unternehmen noch immer nur rudimentär eingesetzt, da offenbar das Steuerungspotenzial nicht wahrgenommen wird. Laut einer repräsentativen Studie aus Deutschland, Österreich und der Schweiz im Jahr 2015 hatten zwar rund zwei Drittel der Unternehmen ein zumindest ansatzweises Reporting zu faktororientierten Themen (allerdings kein Controlling mit Steuerungsfunktion), aber nur ca. 18 % der Unternehmen verfügten über ein "irgendwie" geartetes, prozessorientiertes Personalcontrolling bzw. ein Reporting zu diesen Aspekten.
1.1 Gründe gegen Personalcontrolling
Datenschutz als Hindernis
Das Personalcontrolling steckt also auch nach rund 30 Jahren noch in vielen Unternehmen in den Kinderschuhen. Und das obwohl neue Herausforderungen, wie z. B. die digitale Transformation oder auch eine massive Veränderung der Arbeitsmärkte durch die demografische Entwicklung, auf die Unternehmen zukommen. Hier wäre eine professionelle Steuerung nicht nur wünschenswert – sie ist geradezu ein Muss.
Dennoch wird in den Unternehmen oft bewusst auf das Personalcontrolling verzichtet. Was sind die Gründe, die gegen eine Durchführung sprechen? Ein Argument, das von Unternehmen immer wieder angeführt wird, ist der Arbeitsaufwand für das Personalcontrolling, dem (angeblich) kein erkennbarer Nutzen gegenüber steht. Dabei ist der potenzielle Wertbeitrag des Personalcontrollings sehr hoch und liegt regelmäßig am oberen Ende der Skala aller Personalfunktionen. Das Personalcontrolling kann helfen, Fehlentwicklungen zu vermeiden, indem es nicht wirksame Maßnahmen aufdeckt, durch deren Streichung Kosten reduziert werden können, oder indem es Investitionsvorhaben mithilfe von Wirtschaftlichkeitsberechnungen überprüft. Typischerweise ergeben sich durch Controllingaktivitäten Einsparungen in Euro und können somit auf der Habenseite des Personalcontrollings verbucht werden.
Aber auch Akzeptanzprobleme sowie das Thema Datenschutz werden häufig als Erklärung angeführt, die gegen ein Personalcontrolling sprechen. Bezüglich des Datenschutzes sind hierbei die neue EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und das angepasste deutsche Bundesdatenschutzgesetz (BDSG 2018) zu beachten. Das "Need-to-know"-Prinzip und Löschfristen müssen auch bei den Reporting-Sachverhalten beachtet werden. In der Commerzbank werden die Daten hierfür nicht gelöscht, sondern anonymisiert. Das hat den Vorteil, dass die Auswertungen grundsätzlich jederzeit wieder erstellt werden können. Darüber hinaus dürfen fast alle Anwendergruppen die Reports nur vier Jahre in die Vergangenheit und in die Zukunft starten.
Unstimmigkeiten mit dem Betriebsrat
Ein weiteres Problem bei der Einführung von Personalcontrolling stellt offenbar für einige Unternehmen die Einigung mit dem Betriebsrat dar. Allerdings ist dieses Argument im Laufe der Zeit immer weniger relevant geworden. Eine frühzeitige Einbindung des Betriebsrats kann helfen, die Vorbehalte zu zerstreuen und zu einer produktiven Zusammenarbeit beizutragen.
1.2 Prozesse im Personalcontrolling
Reporting einzelner Kennzahlen ist kein echtes Personalcontrolling
Neben dem klassischen Reporting, das vergleichsweise häufig zu finden ist und normalerweise auf Kennzahlen beruht, sollte ein zeitgemäßes Personalcontrolling noch weitere Prozesse umfassen. Wie ein solches Prozessmodell idealtypisch aussehen kann, zeigt Abb. 1, die wiederum auf das allgemeine Controlling-Prozessmodell zurückgreift.
Abb. 1: Prozessmodell Personalcontrolling
Anhand des Prozessmodells "Personalcontrolling" wird d...