Leitsatz
Werden Einfuhrabgaben irrtümlich mit einem zu geringen Betrag buchmäßig erfasst, ist hinsichtlich der bei der nachträglichen buchmäßigen Erfassung zu prüfenden Frage, ob der Irrtum vom Zollschuldner vernünftigerweise erkannt werden konnte, nicht auf den Zeitpunkt der Abgabe der Zollanmeldung, sondern auf den Zeitpunkt der Mitteilung des ursprünglichen Abgabenbetrags abzustellen.
Normenkette
Art. 220 Abs. 1, Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK
Sachverhalt
Eine Ware war bei der Einfuhr zur Abfertigung zum freien Verkehr unter Anwendung eines Präferenzzollsatzes angemeldet worden. Die Zollstelle nahm die Anmeldung an, überließ die Waren und meldete die Sendung der Zentralstelle Zollkontingente zur Anrechnung auf das Zollkontingent, wobei sie wegen eines Fehlers im Deutschen Gebrauchszolltarif nicht erkannte, dass die Anwendung des Präferenzzollsatzes die Vorlage einer Einfuhrlizenz voraussetzte, welche jedoch nicht vorgelegt worden war. Obwohl dieser Fehler alsbald entdeckt wurde und der Importeur auch bereits darauf hingewiesen worden war, setzte die Abfertigungszollstelle die Einfuhrabgaben für die Warensendung unter Anwendung der im Rahmen des Kontingents vorgesehenen präferenziellen Zollfreiheit fest. Jetzt sollen jedoch die dem Zolltarif entsprechenden Einfuhrabgaben nacherhoben werden.
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das FG ab (FG Hamburg, Urteil vom 15.11.2006, 4 K 14/06, Haufe-Index 1680940)
Entscheidung
Zu Recht, so hat der BFH entschieden! Denn der Fehler des Zolls bei der ersten Abgabenfestsetzung hätte von dem Importeur erkannt werden können. Ob er bei der Abgabe der Zollanmeldung bereits die Rechtslage hätte durchschauen können – trotz des Fehlers im Deutschen Gebrauchszolltarif, der den Status einer Verwaltungsvorschrift hat –, ist ohne Belang.
Hinweis
Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 1 ZK schreibt die Nacherhebung des gesetzlich geschuldeten Abgabenbetrags vor, es sei denn, der gesetzlich geschuldete Abgabenbetrag ist aufgrund eines sog. aktiven Irrtums der Zollbehörden bei der ursprünglichen Abgabenfestsetzung nicht buchmäßig erfasst worden und dieser Irrtum konnte vom Zollschuldner nicht erkannt werden und dieser hat auch gutgläubig gehandelt und alle geltenden Bestimmungen betreffend die Zollerklärung beachtet.
Ist für die Frage, ob der behördliche Irrtum für den Zollbeteiligten erkennbar war, auf den Zeitpunkt des Zugangs des ersten Abgabebescheids oder auf den Zeitpunkt des letzten aktiven Handelns des Zollbeteiligten, nämlich die Abgabe der Zollanmeldung abzustellen? Letzteres mag auf den ersten Blick naheliegen, weil der ZK gleichsam in einem Atemzug von "gutgläubigem Handeln" und der "Nichterkennbarkeit des Irrtums" spricht. Indes geht es um die Voraussetzungen einer Nacherhebung, nicht darum, ob gegenüber der originär entstandenen Abgabe Vertrauensschutz zu gewähren ist, weil der Zollbeteiligte – hier: aufgrund eines Fehlers im Deutschen Gebrauchszolltarif, welcher die Zollstelle zu einer unzutreffenden Präferenzbehandlung verleitet hat – die richtige Abgabenhöhe möglicherweise nicht erkennen konnte oder musste.
Beachten Sie: Der Zollbeteiligte muss die einschlägigen Vorschriften kennen, selbst wenn die Zollbehörde sie nicht kennt. Unkenntnis des anwendbaren Zolltarifs steht daher weder der originären Erhebung der "richtigen" Abgabe, geschweige denn deren Nacherhebung entgegen.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 24.04.2008, VII R 62/06