Sarah Müller, Prof. Dr. Stefan Müller
Rz. 1
Zur Transformation der Wirtschaft hin zur Klimaneutralität und der Stärkung der Nachhaltigkeit im Rahmen des Green Deals wurden vom europäischem Verordnungs- und Richtlinien- sowie vom deutschen Gesetzgeber verschiedenste Regulierungen angestoßen bzw. bereits umgesetzt. Dabei kommen neben direkten Eingriffen, wie etwa dem Emissionshandel, Vorgaben für die Produktausgestaltung oder Festlegung sozialer Mindeststandards, auch eher indirekt wirkende Maßnahmen zur Anwendung, wie die Schaffung von Transparenzanforderungen und Vorgaben zur Lenkung der Finanzströme in nachhaltige Geschäftsmodelle. Die Nachhaltigkeitsaspekte (sog. ESG-Aspekte) werden dabei weit verstanden und wie inzwischen international üblich unterteilt in die Bereiche:
- Environmental/Umwelt,
- Social/Soziales,
- Governance/verantwortungsvolle Unternehmensführung und -überwachung.
Rz. 2
Mit dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) sind alle Unternehmen mit mehr als 3.000 (1.000) Beschäftigten in Deutschland seit dem 1.1.2023 (2024) zu einer Überwachung ihrer Lieferketten verpflichtet, um ihre negativen Auswirkungen auf Menschenrechte und (bestimmte) Umweltaspekte zu identifizieren und zu verringern. Zudem hat die europäische Kommission im Februar 2022 einen, sowohl was die Zielgruppe als auch den Umfang betrifft, deutlich weitergehenden Entwurf einer Sorgfaltspflichtenrichtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD)) mit Fokus auf die Wertschöpfungskette vorgelegt. Über diesen konnten sich Rat, Parlament und Kommission allerdings erst am 15.3.2024 final einigen, wobei die Zielgruppe letztlich deutlich verkleinert wurde: Nach dem LkSG sind Unternehmen mit 1.000 Beschäftigten in Deutschland verpflichtet, nach der CSDDD müssen auch 450 Mio. EUR Umsatz überschritten werden, allerdings zählen die Beschäftigten weltweit. Am 5.7.2024 wurde die CSDDD bzgl. Sorgfaltspflichten in der Wertschöpfungskette von Unternehmen im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht (Richtlinie (EU) 2024/1760). Deutschland hat die CSDDD bis zum 26.7.2026 in nationales Recht umzusetzen (Art. 37 Abs. 1 CSDDD). Es ist zu erwarten, dass die neuen Regelungen in das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) aufgenommen werden. Die – inzwischen allerdings nicht mehr über eine Mehrheit im Bundestag verfügende – Bundesregierung hat eine zügige Umsetzung angekündigt. Schon im Vorgriff soll die Regelung der Erfüllung der LkSG-Berichtspflichten durch die Veröffentlichung eines Nachhaltigkeitsberichts im Gesetz verankert werden, wobei nun eine Umsetzung der EU-Nachhaltigkeitsberichterstattungsrichtlinie (Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)) im Jahr 2024 sehr unwahrscheinlich geworden ist. Allerdings wurde faktisch die Berichtspflicht nach dem LkSG bereits verschoben, da das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) bekannt gemacht hat, dass es das Vorliegen und die Veröffentlichung der Berichte nach dem LkSG erstmalig zum 1.1.2026 prüfen wird. Im Unterschied zum LkSG sind die zu beachtenden Vorgaben der CSDDD aber noch deutlich weiter gefasst, sodass insbesondere auch Umweltpflichten (etwa das 1,5°-Klimaziel) zu beachten sind und in dem Zusammenhang von den Unternehmen ein Übergangsplan erwartet wird. Dabei gelten die neuen Sorgfaltspflichten auch entlang der Wertschöpfungskette, welche die vorgelagerten Geschäftsbeziehungen (wie Zulieferer) und anders als beim LkSG auch die nachgelagerten Aktivitäten (wie Vertrieb oder Recycling) umfasst. Können nachteilige Auswirkungen auf Menschenrechte oder die Umwelt bei Geschäftspartnern nicht verhindert oder beendet werden, müssen die Geschäftsbeziehungen wie im LkSG als letztes Mittel eingestellt werden. Die in dieser Schärfe neuen Sorgfaltspflichten, schon bislang gibt es Vorgaben, wie die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen zu verantwortungsvollem unternehmerischem Handeln oder UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, die bislang aber eher faktisch zu beachten sind,, sind in die Unternehmenspolitik und das Risikomanagement zu integrieren.
Der Zeitpunkt für die erstmalige Anwendung der CSDDD wird ab dem Jahr der gesetzlichen Umsetzung nach Größenklassen gestaffelt:
- nach einem Jahr: Unternehmen bzw. Gruppen mit 5.000 Beschäftigten und 1.500 Mio. EUR Umsatz (erwartet Geschäftsjahr 2028);
- nach zwei Jahren: Unternehmen bzw. Gruppen mit 3.000 Beschäftigten und 900 Mio. EUR Umsatz (erwartet Geschäftsjahr 2029);
- nach drei Jahren: Unternehmen bzw. Gruppen mit 1.000 Beschäftigten und 450 Mio. EUR Umsatz (erwartet Geschäftsjahr 2030).
Die Zielgruppe entspricht nicht derjenigen der Nachhaltigkeitsberichterstattung, da nicht auf § 267 HGB abgestellt wird: