Prof. Dr. Andreas Herlinghaus
Leitsatz
Für den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Grundstückswerts kommt es auch nach der bis zum Jahr 2006 geltenden Rechtslage nicht auf die Wertverhältnisse zum 01.01.1996, sondern zum Bewertungsstichtag an. Dies gilt sowohl für bebaute als auch für unbebaute Grundstücke.
Normenkette
§ 1 Abs. 2, § 9 Abs. 2, § 18 Nr. 2, §§ 68 f., § 99 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 138 Abs. 1, 3 und 4, §§ 139 ff., § 145 Abs. 3 S. 1 bis 3, § 146 Abs. 7 BewG, § 9, § 10 Abs. 1 S. 1, § 11, § 12 Abs. 1 ErbStG, § 1018, § 1094 Abs. 2 BGB, § 196 BauGB, Art. 3 Abs. 1 GG
Sachverhalt
Die Klägerin erbte von ihrem im August 1999 verstorbenen Ehemann einen Anteil von 1/4 an einer GbR, zu deren Vermögen ein unbebautes Grundstück gehörte. Das seinerzeit zuständige FA stellte den Grundstückswert des auf die Klägerin übergegangenen Anteils an dem Grundstück auf 63 000 DM fest. Das FA ging dabei von dem Bodenrichtwert auf den 01.01.1996 von 30 DM je qm aus und nahm hiervon einen Abschlag von 20 % vor. Der Einspruch blieb erfolglos.
Mit der Klage begehrte die Klägerin, den Grundstückswert auf 168 000 DM (85 900 EUR) festzustellen und ihr diesen Wert zu 1/4 zuzurechnen. Zur Begründung legte sie ein auf den 08.08.1999 erstelltes Gutachten und eine ergänzende Stellungnahme eines für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen vor.
Das FG (FG Sachsen-Anhalt vom 07.10.2008, 4 K 764/03, Haufe-Index 2184317) wies die Klage mit der Begründung ab, die Klägerin habe einen niedrigeren gemeinen Wert des Grundstücks nicht gem. § 145 Abs. 3 S. 3 BewG nachgewiesen. Das Sachverständigengutachten gehe nämlich nicht wie gem. § 138 Abs. 1 S. 2 und Abs. 4 BewG erforderlich von den zum 01.01.1996 ermittelten Bodenrichtwerten aus.
Entscheidung
Dem vermochte sich der BFH aus den unter Praxis-Hinweisen genannten Gründen nicht anzuschließen, gab der Revision der Klägerin statt und verwies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.
Hinweis
1. Nach § 138 Abs. 1 S. 2 BewG werden für die Erbschaftsteuer für das in § 138 Abs. 3 BewG bezeichnete Vermögen Grundstückswerte unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse zum Besteuerungszeitpunkt und der Wertverhältnisse zum 01.01.1996 festgestellt. Diese Wertverhältnisse gelten nach § 138 Abs. 4 BewG für Feststellungen von Grundbesitzwerten bis zum 31.12.2006. Für die wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens und für Betriebsgrundstücke i.S.d. § 99 Abs. 1 Nr. 1 BewG sind nach § 138 Abs. 3 S. 1 BewG Grundstückswerte abweichend von § 9 BewG mit einem typisierenden Wert unter Anwendung der §§ 68, 69 und 99 Abs. 2 BewG und der §§ 139 und 145 bis 150 BewG zu ermitteln.
2. Der Wert unbebauter Grundstücke (§ 145 Abs. 1 und 2 BewG) bestimmt sich dabei gem. § 145 Abs. 3 S. 1 BewG grundsätzlich nach ihrer Fläche und den um 20 % ermäßigten Bodenrichtwerten, die wiederum von den Gutachterausschüssen nach dem BauGB ebenfalls auf den 01.01.1996 zu ermitteln und den FA mitzuteilen sind (§ 145 Abs. 3 S. 2 BewG). Weist allerdings der Steuerpflichtige nach, dass der gemeine Wert des unbebauten Grundstücks niedriger als der nach § 145 Abs. 3 S. 1 BewG ermittelte Wert ist, ist nach § 145 Abs. 3 S. 3 BewG der gemeine Wert festzustellen.
a) Bei der Ermittlung des gemeinen Werts (§ 9 BewG) kommt es – wie jetzt der BFH klarstellt – auf die tatsächlichen Verhältnisse und die Wertverhältnisse am Tag der Steuerentstehung (§ 9 ErbStG) als Besteuerungszeitpunkt i.S.d. § 138 Abs. 1 S. 2 BewG an. Dies ergibt sich bereits aus dem Sinn und Zweck des § 145 Abs. 3 S. 3 BewG, weil die Vorschrift bezogen auf die Erbschaft- und Schenkungsteuer gewährleisten soll, dass der Steuerpflichtige durch die typisierende Bewertung unbebauter Grundstücke mit den um 20 % verminderten Bodenrichtwerten nicht schlechter gestellt wird, als wenn die Steuer gem. § 12 Abs. 1 ErbStG nach der mit dem gemeinen Wert zum Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§§ 9, 11 ErbStG) bewerteten Bereicherung bemessen würde.
Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass ein generelles Abstellen auf die Wertverhältnisse zum 01.01.1996 zu einer Verwaltungsvereinfachung führe, denn beim konkreten Nachweis eines niedrigeren gemeinen Grundstückswerts handelt es sich gerade nicht um eine typisierende Bewertung. Abgesehen davon, dass der Gesetzgeber im BewG auch nicht durchgehend auf die Wertverhältnisse zum 01.01.1996 abgestellt hat, wäre es vor allem aber aus verfassungsrechtlicher Sicht schwerlich vertretbar, wenn man beim Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts von unbebauten Grundstücken bei Besteuerungszeitpunkten bis zum 31.12.2006 auf die Wertverhältnisse zum 01.01.1996 abstellen wollte. Dafür ist schlichtweg schon kein sachlicher Grund erkennbar und hat zudem das BVerfG die langfristige Festschreibung der Wertverhältnisse auch für die typisierende Bewertung unbebauter Grundstücke als jedenfalls inzwischen verfassungswidrig angesehen (vgl. dazu die Nachweise im Besprechungsurteil).
b) Was aus dieser Auslegu...