Leitsatz
1. Die im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu treffende Entscheidung, ob Aufwendungen für einen Lehrgang und für die damit verbundene Reise als Werbungskosten abziehbar sind, obliegt zwar in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung durch das FG. In die erforderliche Gesamtwürdigung sind aber alle wesentlichen Umstände des Einzelfalls einzubeziehen und zu beurteilen.
2. Fehlen objektive Beweismittel und ergibt sich zusätzlich aus konkretem und substanziiertem Vortrag des FA, dass begründete Zweifel an der Glaubwürdigkeit des klägerischen Vorbringens bestehen, entspricht eine das klägerische Vorbringen schlicht wiedergebende Würdigung nicht der Anforderung, alle wesentlichen Umstände des Einzelfalls einzubeziehen und zu beurteilen.
* Leitsatz nicht amtlich
Normenkette
§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG, § 90 Abs. 2 AO, § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO
Sachverhalt
Der Kläger war im VZ 2000 bei der Bundeswehr tätig. Zugleich studierte er an der Bundeswehr-Hochschule Wirtschafts- und Organisationswissenschaften. Im VZ 2000 nahm der Kläger an einem Englischkurs in Kapstadt (Südafrika) teil. Hierfür machte er in der ESt-Erklärung verschiedene Aufwendungen als Werbungskosten geltend.
Das FA ließ die Aufwendungen nicht zum Abzug zu, weil der Kläger die berufliche Veranlassung insbesondere nicht durch Vorlage verschiedener Unterlagen nachgewiesen habe. Das FG gab der Klage (teilweise) statt.
Entscheidung
Auf die Revision des FA hob der BFH die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zur weiteren Sachaufklärung zurück. Das FG habe seiner Würdigung im Wesentlichen nur den klägerischen Vortrag zugrunde gelegt.
Die Einwendungen des FA, der Kläger habe u.a. weder das Kursprogramm, den Stundenplan der Sprachschule noch die einschlägigen Kostenabrechnungen vorgelegt, seien in die Würdigung des FG nicht eingeflossen. Das FA habe ferner auf weitere Unstimmigkeiten, insbesondere auch auf den Umstand hingewiesen, dass die vom Kläger zum Nachweis der Zahlung vorgelegte Kopie des Kontoauszugs nicht mit dem Original übereinstimme.
Letztlich sah sich der BFH veranlasst, darauf hinzuweisen, dass bei der Aufklärung des vorliegenden Sachverhalts wegen des bestehenden Auslandsbezugs erhöhte Mitwirkungspflichten des Klägers bestünden (§ 90 Abs. 2 AO i.V.m. § 76 Abs. 1 Satz 4 FGO).
Hinweis
1. Bekanntlich hat der BFH seine bisherige (einschränkende) Rechtsprechung zur Frage der Anerkennung von Sprachkursen als Erwerbsaufwand gelockert und damit den Veränderungen Rechnung getragen, die in der Arbeitswelt in Bezug auf Fremdsprachenkenntnisse eingetreten sind (vgl. hierzu u.a. die Urteile des VI. Senats vom 10.4.2002, VI R 46/01, BFH-PR 2002, 327 zu einem Inlandssprachkurs; vom 13.6.2002, VI R 168/00, BFH-PR 2002, 448 zu einem Auslandssprachkurs). In allen diesbezüglichen Entscheidungen hat der BFH stets betont, dass Kosten für einen Sprachlehrgang dann als Erwerbsaufwendungen abziehbar sind, wenn ein konkreter Zusammenhang mit der Berufstätigkeit besteht. Ob dies zutrifft, muss das FG als Tatsachengericht aufgrund einer sorgfältigen Gesamtwürdigung aller wesentlichen Umstände des jeweiligen Einzelfalls beurteilen.
2. Auch wenn eine derartige Gesamtwürdigung in erster Linie dem FG obliegt, kann dies indessen nicht bedeuten, dass das FG seiner Würdigung im Wesentlichen nur den klägerischen Vortrag zugrunde legt. Dies gilt insbesondere dann, wenn das FA sowohl im Veranlagungs- und Einspruchsverfahren als auch im Klageverfahren substanziierte Einwände gegen den klägerischen Vortrag vorgebracht hat. Geht das FG solchen Einwendungen nicht weiter nach, so leidet seine Entscheidung regelmäßig an einem (materiell-rechtlichen) Fehler. Denn sein Ausspruch ist nicht durch ausreichende tatsächliche Feststellungen gedeckt.
3. Im Übrigen gilt ganz allgemein: Je konkreter der berufliche Zusammenhang erkennbar ist, umso geringer sind die Darlegungsanforderungen an den Steuerpflichtigen (und umgekehrt). Zwischen der Darlegungspflicht eines Beteiligten und der Pflicht zur Sachaufklärung durch das FG besteht eine Wechselwirkung.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 15.3.2007, VI R 61/04