Leitsatz
1. Eine Steuererklärung ohne die gesetzlich vorgeschriebene Unterschrift ist zwar unwirksam. Dieser Mangel ist aber unbeachtlich, wenn auf eine solche Steuererklärung ein wirksamer Steuerbescheid ergeht.
2. Eine Zustimmung zu einer Steueranmeldung ist ein Verwaltungsakt, wenn sie dem Steuerpflichtigen durch eine Abrechnung bekannt gegeben wird.
Normenkette
§ 125 AO , § 168 AO , § 233a AO
Sachverhalt
Der Kläger hatte in der nicht unterschriebenen Erklärung – ausdrücklich – nur die einen "Unternehmensteil" betreffenden Umsätze und die entsprechenden Vorsteuerbeträge erklärt, das FA aber alle in den Umsatzsteuer-Vorauszahlungen erklärten Vorsteuern berücksichtigt und entsprechend Umsatzsteuer erstattet. Die spätere (vollständige) Umsatzsteuererklärung führte zu einer entsprechenden Nachzahlung und dementsprechend hohen Nachzahlungszinsen.
Das FG folgte der Auffassung des Klägers und meinte, weil die unvollständige Steuererklärung nicht unterschrieben gewesen sei, handele es sich um einen erstmaligen Steuerbescheid. Deshalb sei nur die Differenz von festgesetzter Umsatzsteuer zu den Vorauszahlungen Bemessungsgrundlage für die Zinsen.
Entscheidung
Der BFH hob das Urteil des FG auf und wies die Klage ab. Im Streitfall seien die Zinsen nach den für Änderungsbescheide geltenden Regeln festzusetzen. Dem Kläger sei die Zustimmung zu der – nicht unterschriebenen – Steuererklärung durch die Abrechnung bekannt gegeben worden. Der Mangel der fehlenden Unterschrift sei deshalb unbeachtlich.
Hinweis
Die Berechnung der Zinsen für Steuernachforderungen oder Steuererstattungen (§ 233a AO) hängt u.a. davon ab, ob es sich um einen Erstbescheid oder um einen Änderungsbescheid handelt. In dem dem Besprechungsurteil zugrunde liegenden Fall erhielt der Steuerpflichtige zunächst – zu Unrecht – eine beachtliche Erstattung, die nach Erlass des Änderungsbescheids zu einer entsprechenden Nachforderung wurde. Für die Berechnung der Zinsen wäre ein späterer Beginn deshalb vorteilhaft gewesen.
Maßgebend für die Berechnung der Zinsen ist bei der Umsatzsteuer – beim "Erstbescheid" – grundsätzlich die festgesetzte Steuer, vermindert um die festgesetzten Vorauszahlungen (§ 233a Abs. 3 AO), beim Änderungsbescheid der Unterschiedsbetrag zwischen neu festgesetzter und vorher festgesetzter Steuer (§ 233a Abs. 5 AO 1977). Entscheidend kann deshalb (auch) für die Zinsberechnung sein, ob der erstmalige Steuerbescheid wegen eines schwerwiegenden Mangels i.S.d. § 125 Abs. 2 AO nichtig ist.
Im entschiedenen Sachverhalt half die Berufung auf nicht unterschriebene Steuererklärung nicht weiter. Sie ist zwar grundsätzlich unwirksam; das Unterschriftserfordernis dient aber (nur) dazu, dass sich der Steuerpflichtige die Bedeutung der richtigen Steuererklärung bewusst macht. Die fehlende Unterschrift ist deshalb unbeachtlich, wenn dieser Zweck auf andere Weise erreicht wird, z.B. weil auf die nicht unterschriebene Erklärung ein wirksamer Steuerbescheid ergeht, der Anlass zu einer Überprüfung der der Steuerfestsetzung zugrunde gelegten Besteuerungsgrundlagen gibt.
Fraglich war nur, ob auch die – nicht formbedürftige – Zustimmung zu einer nicht unterschriebenen Umsatzsteuererklärung einer Steuerfestsetzung gleichzusetzen ist. Der BFH hat dies bejaht, denn (nur) durch eine solche Zustimmung des FA steht eine – zu einer konkreten Steuervergütung führende – Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Ist die Zustimmung dem Steuerpflichtigen durch eine Abrechnung bekannt gegeben worden, bestand für den Steuerpflichtigen Anlass, die Besteuerungsgrundlagen auf ihre Richtigkeit zu prüfen; die fehlende Unterschrift kann deshalb nicht als "elementarer" Mangel auf die Steuerfestsetzung durchschlagen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 28.2.2002, V R 42/01