Leitsatz
Die Betragsgrenze für die Hinzurechnung (§ 8 Nr. 1 GewStG 2002 i.d.F. des UntStRefG 2008) von 100.000 EUR ist im Fall einer negativen Summe der hinzuzurechnenden Finanzierungsanteile nicht spiegelbildlich anzuwenden. Lautet daher die Summe der Einzelhinzurechnungsbeträge auf einen Betrag zwischen ./. 1 EUR und ./. 100.000 EUR, dann ist ein Viertel dieser Summe dem Gewinn aus Gewerbebetrieb (negativ) hinzuzurechnen.
Normenkette
§ 8 Nr. 1 GewStG 2002
Sachverhalt
Die Klägerin erklärte für das Streitjahr 2008 einen Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von 466 EUR. Des Weiteren gab sie Finanzierungskosten nach § 8 Nr. 1 GewStG 2002 n.F. i.H.v. ./. 3.217 EUR an. Der negative Hinzurechnungsbetrag von ./. 3.217 EUR ergab sich aus einer Saldierung von Schuldzinsen (+ 1.589 EUR), Mietzinsen (13/20 von + 2.640 EUR = + 1.716 EUR) und dem Verlustanteil des typisch stillen Gesellschafters (./. 6.522 EUR). Davon machte die Klägerin ein Viertel (./. 804 EUR) als sog. negative Hinzurechnung geltend. Das FA folgte dem nicht. Es ermittelte zu den Finanzierungskosten (§ 8 Nr. 1 GewStG 2002 n.F.) einen Saldo von ./. 3.217 EUR. Davon berücksichtigte es 0 EUR; denn aus der Betragsgrenze von 100.000 EUR sei zu schließen, dass der Gesetzgeber den Begriff des Hinzurechnens auf positive Beträge habe beschränken wollen. Selbst wenn negative Hinzurechnungen als zulässig erachtet würden, müsse die Grenze jedenfalls spiegelbildlich mit der Folge angewendet werden, dass negative (wie positive) Bagatellbeträge nicht zu berücksichtigen seien.
Entscheidung
Der BFH folgte dem Ansinnen des FA nicht und wies die Revision gegen das klagestattgebende Urteil zurück (Sächsisches FG, Urteil vom 29.1.2015, 4 K 1292/10, Haufe-Index 7650596).
Hinweis
1. Es geht um sog. negative Hinzurechnungen gemäß § 8 Nr. 1 GewStG 2002 i.d.F. des UntStRefG 2008 (GewStG 2002 n.F.) bei Verlustanteilen eines typisch stillen Gesellschafters. Dass das Gesetz eine solche Möglichkeit (d.h. den Abzug!) bei der Ermittlung des Gewerbeertrages eröffnet, hat der Senat im Urteil vom 1.10.2015, I R 4/14 (BFH/NV 2016, 145) erkannt (dazu ist auf Gosch in BFH/PR 2016, 40 zu verweisen). Damals offen blieb die hier streiterhebliche Frage, ob die 100.000 EUR-Betragsgrenze die "negative Hinzurechnung" beschränkt.
2. Der BFH hat diese Frage verneint. Bei der Betragsgrenze handelt es sich nach der Begründung des Gesetzentwurfs um einen "Freibetrag", der "zur Entlastung kleinerer und mittlerer Unternehmen dienen" soll (BT-Drucks. 16/4841, S. 80). Als Freibetrag (oder – s. Gosch in BFH/PR 2016, 41 – "Aufgriffsgrenze") setzt die Regelung aber einen positiven Betrag voraus. Zudem verkehrt sich der Entlastungszweck in sein Gegenteil, wenn die Grenze spiegelbildlich zu Lasten des Steuerpflichtigen angewendet würde. Angesichts der (einseitig) begünstigenden Regelungsabsicht konnte das FA nicht mit dem Argument durchdringen, Bagatellbeträge müssten um der Gleichmäßigkeit der Besteuerung willen sowohl bei positivem wie bei negativem Vorzeichen steuerlich unberücksichtigt bleiben.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 28.01.2016 – I R 15/15