Unberücksichtigte Projektkosten führen zu Verlusten
Die wirtschaftliche Situation des Unternehmens vor Einführung des neuen Angebotsprozesses war schlecht. Grundsätzlich war genug Auftragsvolumen vorhanden, aber viele der Aufträge führten im Laufe der Projektabwicklung zu unvorhergesehenen Kosten, die oft genug zu einem Verlust in der Auftragsnachkalkulation führten. Eine Analyse dieser Projekte ergab, dass man viele der Kostensteigerungen hätte im Vorfeld erkennen können, wenn bestimmte Vorgehensweisen eingehalten worden wären.
4.1 Anfragen-Durchsprache und Angebotserstellung
Die allermeisten Aufträge entstanden durch Anfragen seitens der Kunden. Diese Anfragen wurden in Meetings des Vertriebs, der Konstruktion und der Fertigung besprochen. In diesen Anfrage-Runden wurde entschieden, ob auf die Anfrage hin ein Angebot erstellt werden soll.
Vor Einführung des neuen Angebotsprozesses dominierte der Vertrieb
Sofern die Entscheidung positiv ausfiel, hat der Vertrieb ein Angebot ausgearbeitet und dem Kunden geschickt. Dafür sind im Vertrieb Mitarbeiter, die Layout-Zeichnungen erstellen, angesiedelt. Die technischen Auslegungen machte ein Vertriebsmitarbeiter, meist auf Basis früherer, ähnlicher Aufträge. Es wurden daher auch oftmals komplette Passagen aus früheren Aufträgen übernommen oder sogar komplette Aufträge.
Die Anfragen-Durchsprache wurde gelegentlich nicht sehr diszipliniert durchgeführt, wenn es nach Meinung des Vertriebsmitarbeiters klar war, dass eine Anfrage genau das vorhandene Leistungsspektrum betrifft.
Nach der Anfragen-Durchsprache gab es bilaterale Gespräche zwischen dem Vertrieb und der Konstruktion bzw. der Fertigung zur Klärung von individuellen Fragestellungen. Zudem wurden die anstehenden Projekte in den regelmäßigen Management-Jour Fixes besprochen.
Insbesondere hat der Vertrieb die Auftragskalkulationen erstellt und den Angebotspreis festgelegt.
Jedes Angebot wurde und wird vom Geschäftsführer unterschrieben und daher von diesem auch geprüft. Diese Prüfung beschränkte sich jedoch weitgehend auf eine detaillierte Erläuterung durch den zuständigen Vertriebsmitarbeiter und eine darauf basierende Plausibilitätsprüfung durch den Geschäftsführer.
4.2 Schwachstellen des früheren Prozesses
Technik war nur eingeschränkt beteiligt
Da vielfach die Konstruktion nur eingeschränkt in die Angebotserstellung eingebunden war, kamen die technischen Probleme oftmals erst nach Auftragseingang auf, wenn der Auftrag in die Konstruktion kam. Diese Probleme bezogen sich sowohl auf die
- Machbarkeit als auch auf die
- Vollständigkeit.
Die detaillierten Ausschreibungsunterlagen wurden aus technischer Sicht erst zu diesem Zeitpunkt vollständig betrachtet. Dies führte oft genug dazu, dass die Auslegung der Maschinen gegenüber dem Angebot geändert werden musste, ohne den Preis erhöhen zu können. Die Folge waren zu teure Maschinen. Auch Terminprobleme entstanden, weil die aufwändigeren Lösungen teilweise länger dauerten.
Auch nachdem die technische Kompetenz des Vertriebs durch mehrere ehemalige Konstrukteure verstärkt wurde, gab es weiterhin negative Überraschungen während der Auftragsphase.
Eine Analyse ergab weitere Schwachstellen:
- Die variablen Gehaltsbestandteile der Vertriebsmitarbeiter bemaßen sich ausschließlich nach dem Umsatz. Um den Umsatz in die Höhe zu treiben, wurden die Kosten in der Angebotskalkulation bewusst gering angesetzt, um bei einem geringen Angebotspreis noch auskömmliche Deckungsbeiträge auszuweisen. Das Controlling hat die Kalkulationen nicht überprüft und war nur eingeschränkt in die Angebotserstellung involviert.
- Die Angebote basierten meist auf früheren Angeboten; Angebotstexte und die technische Beschreibung wurden aus den zugrundeliegenden Angeboten kopiert. Wenn diese Angebote jedoch unvollständig und/oder falsch kalkuliert waren und sich bei der Auftragsbearbeitung Änderungen gegenüber dem Angebot ergeben hatten, war es nicht sicher, dass diese Änderungen auch Eingang in die neuen Angebote fanden. Oft wurden Fehler durch Kopieren in neue Angebote übertragen und mussten technisch und kaufmännisch nach Auftragserteilung erneut gelöst werden.
- Die finale technische Klärung fand weitgehend nach dem Auftragseingang statt. Die Checklisten zur technischen Klärung wurden zwischen Technik, Vertrieb und Projektmanagement oft langwierig diskutiert.
- Die Übergabe vom Vertrieb an das interne Projektmanagement zog sich aufgrund der vielen nicht geklärten Positionen teils endlos hin. In dieser Übergangszeit waren die Projekte nur sehr eingeschränkt betreut. Dadurch entstanden zudem Verzögerungen in der Projektbearbeitung.
- Die Wahl der technischen Lösung oblag grundsätzlich dem (technischen) Vertrieb. Nach Auftragserteilung wurde diese vielfach von der Konstruktion geändert bzw. es gab starke Reibungen zwischen Vertrieb und Technik. Dies führte zu gegenseitigen Schuldzuweisungen bzgl. der Mehrkosten.
Eine Auswahl an Projekten mit Auftragseingang in 2013 zeigt Mitte 2014 eine gravierende Abweichung der Ist-Deckungsbeiträge gegenüber der Angebotskalkulation (s. Abb. 3).
Abb. 3: Plan-Ist-Vergleich von Projek...