LfSt Bayern v. 18.1.2012, S 0130.2.1 - 74/1 St 42
Mitteilungen und Auskünfte an die Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte zur Verfolgung von nichtsteuerlichen Straftaten sind nur unter Voraussetzungen des § 30 Abs. 4 und Abs. 5 AO zulässig. Die in §§ 96 und 161 StPO begründeten Auskunftsansprüche der Strafverfolgungsbehörden treten gegenüber der Verpflichtung zur Wahrung des Steuergeheimnisses zurück. Bei entsprechenden Auskunftsersuchen der Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte ist daher in jedem Fall zu prüfen, ob das FA zur Offenbarung der Kenntnisse, auf die sich das Ersuchen bezieht, befugt ist.
Dabei ist zu beachten, dass bei jeder Auskunftserteilung der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel gilt. Es muss jeweils geprüft werden, ob und inwieweit die vorgesehene Offenbarung in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem Zweck steht. Ist die Befugnis zur Offenbarung gegeben und besteht gleichzeitig nach § 161 StPO eine Verpflichtung zur Auskunft, so hat das FA die Auskunft zu erteilen.
Eine Offenbarung kann nach folgenden Bestimmungen in Betracht kommen:
1. Offenbarung nach § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO
Die Offenbarung ist zulässig, soweit sie durch Gesetz ausdrücklich zugelassen ist (vgl. AEAO zu § 30 Tz. 8).
§ 6 des Subventionsgesetzes stellt keine Ermächtigungsvorschrift i.S. des § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO dar. Anzeigen an Strafverfolgungsbehörden wegen des Verdachts eines Subventionsbetrugs sind daher nur zulässig, wenn ein zwingendes öffentliches Interesse an der Offenbarung besteht (§ 30 Abs. 4 Nr. 5b AO; vgl. AEAO zu § 30 Tz. 8.4).
Zur Unterrichtung der Subventionsgeber über subventionserhebliche Tatsachen i.S. des § 264 Ab. 7 StGB nach § 31a Abs. 3 AO siehe AO-Kartei § 31a AO Karte 1 und AEAO zu § 30 Tz. 4.1.2, 4.2 und 4.3.
Verfolgung von Geldwäsche (§ 261 StGB): Den zuständigen Behörden können Anhaltspunkte für das Vorliegen einer derartigen Straftat mitgeteilt werden (§ 31b AO).
2. Offenbarung nach § 30 Abs. 4 Nr. 4a und b AO
Nach § 30 Abs. 4 Nr. 4a AO ist die Offenbarung zulässig, soweit sie der Durchführung eines nichtsteuerlichen Strafverfahrens dient, und die Kenntnisse in einem Verfahren wegen einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit erlangt worden sind; dies gilt jedoch nicht für solche Tatsachen, die der Steuerpflichtige in Unkenntnis der Einleitung eines Strafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens offenbart hat oder die bereits vor Einleitung des Strafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens bekannt geworden sind. Dabei ist es jedoch nicht zulässig, auf einen vagen Verdacht hin ein Steuerstrafverfahren oder ein Bußgeldverfahren einzuleiten, um nichtsteuerliche Straftaten dem Schutz des Steuergeheimnisses zu entziehen.
Nicht unter diese Vorschrift fällt die Offenbarung von Kenntnissen für ein Bußgeldverfahren.
Nach § 30 Abs. 4 Nr. 4b AO ist die Offenbarung zulässig, soweit die Kenntnisse ohne Bestehen einer steuerlichen Verpflichtung (§§ 90, 93, 200, 393 Abs. 1 AO) oder unter Verzicht auf ein Auskunftsverweigerungsrecht (§§ 101 ff. AO) erlangt worden sind.
Ohne steuerliche Verpflichtung handeln z.B. Informationspersonen wie Anzeigeerstatter oder Gewährsleute, wenn sie nicht zuvor durch die Finanzbehörde zur Erteilung einer Auskunft aufgefordert worden sind. Dabei ist jedoch zu beachten, dass auch der Name dieser Informationspersonen zu dem Kreis der durch das Steuergeheimnis geschützten „Verhältnisse eines Anderen” gehört.
Die Preisgabe des Namens einer Informationsperson kann deshalb nur dann in Betracht kommen, wenn überragende Gründe des Gemeinwohls oder des Beschuldigten dies verlangen. Hiernach ist eine Unterrichtung der Strafverfolgungsbehörden nur in Erwägung zu ziehen, wenn ein Anzeigeerstatter nach Auffassung der Finanzbehörde durch vorsätzlich falsche Angaben Straftatbestände verwirklicht hat wie z.B. falsche Verdächtigung (§ 164 StGB), Beleidigung (§ 185 StGB), üble Nachrede (§ 186 StGB). Auch in einem solchen Fall ist die Finanzbehörde zu einer Unterrichtung der Strafverfolgungsbehörde nur befugt, jedoch nicht verpflichtet. Im übrigen siehe AO-Kartei § 30 Abs. 4 Nr. 4 Karte 1.
3. Offenbarung nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO
Eine Offenbarung ist zulässig, soweit für sie ein zwingendes öffentliches Interesse besteht. Die Vorschrift enthält eine beispielhafte Aufzählung von Fallgruppen, bei deren Vorliegen ein zwingendes öffentliches Interesse zu bejahen ist.
Unter den Begriff der Wirtschaftsstraftat i.S. des § 30 Abs. 4 Nr. 5b AO fallen solche Delikte, die unter Ausnutzung der Verhältnisse des Wirtschaftsverkehrs begangen wurden und sich gegen das Vermögen oder aber die gesamtwirtschaftliche Ordnung richten. In Betracht kommen nur Fälle großen Ausmaßes, etwa wenn ein erheblicher Schadensumfang bei einer Vielzahl von Geschädigten gegeben ist oder die Tat erhebliche Auswirkungen auf eine Mehrzahl von Anlegern oder Zulieferbetrieben hat. Diese Voraussetzungen sind z.B. bei Korruption im Rahmen von Beschaffungen für die Bundeswehr erfüllt (BGH vom 12.2.1981, NJW 1982 S. 1648). Dagegen stört die blo...