Entscheidungsstichwort (Thema)

Ordnungsmäßigkeit der Buchführung bei Verwendung eines PC-Kassensystems und Zulässigkeit von Testkäufen im Besteuerungsverfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die Führung eines PC-Kassensystems verstößt gegen die Ordnungsprinzipien des § 146 Abs. 4 AO, wenn bei den Kassenabschlüssen keine Stornobuchungen erfasst sind.
  2. Es widerspricht der Lebenserfahrung und ist nicht glaubhaft, dass in einem Lokal über einen ganzen Tag oder Monat die Eingaben in das Kassensystem ohne Fehler erfolgen und keine Stornobuchungen erforderlich werden.
  3. Testkäufe können ein probates Mittel zur Ermittlung des konkreten besteuerungsrelevanten Sachverhaltes sein. Es handelt sich um eine allgemein übliche und grds. akzeptierte Maßnahme zur Beweissicherung. Dieses Verfahren ist auch im Besteuerungsverfahren zulässig.
 

Normenkette

AO §§ 140, 158, 162

 

Streitjahr(e)

1996, 1997, 1998, 1999, 2000

 

Tatbestand

I.

Der Antragsteller betreibt ein Speiselokal mit chinesischen Spezialitäten. Er erzielt aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EstG).

Die für die Streitjahre ergangenen Steuerbescheide standen bis auf einen Steuerbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO).

In der Zeit vom…2002 bis…2003 fand beim Antragsteller eine Außenprüfung und hieran anschließend eine Steuerfahndungsprüfung statt, bei der u.a. folgende Feststellungen getroffen wurden:

1. Das vom Antragsteller verwendete PC-Kassenprogramm einer Nürnberger Firma entsprach nach Ansicht des Prüfers nicht den mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 7. November 1995 (BStBl I 1995, 738) dargestellten Grundsätzen ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchungssysteme (im folgenden „GoBS”), weil es nach den Feststellungen von Finanzbehörden verschiedener Bundesländer die Möglichkeit zuließ, auch nach Einbonieren eines Umsatzes diesen ohne jegliche Protokollierung zu stornieren, sowie über eine so genannte „Managerfunktion” vorher eingegebene und bereits gespeicherte Daten zu löschen.

2. Die Ausdrucke der Tages- und Monatsabschlüsse (Z-Abschläge) der vom Antragsteller verwendeten Registrierkasse enthielten keine Stornobuchungen. Bei einer Überprüfung der Kasse für den 31. Januar des Jahres x wurden jedoch Stornos festgestellt, die weder in der Monatsübersicht noch im Z-Abschlag wieder zu finden waren.

3. Die Wareneinkäufe für Fassbier lagen während des ganzen Jahres auf einheitlichem Niveau während die Wareneinkäufe für Küchenwaren zu Zeiten mit besonderen Anlässen, wie z.B. Messen oder zur Weihnachtszeit erheblich nach oben abwichen. Auch waren die vom Antragsteller behaupteten Portionsgrößen mit z.B. 1000 g Ente pro Portion ungewöhnlich hoch angesetzt. Die auf Grundlage der in den Steuererklärungen angegebenen Werte errechneten Rohgewinnaufschlagsätze betrugen zwischen 203,70% und 222,56%. Eine Nachkalkulation für ein Jahr unter Ansatz des vom Antragsteller mitgeteilten Rohgewinn-aufschlagsatzes von 120% für Küchenwaren führte jedoch ohne Berücksichtigung der Freigetränke - jeder Gast erhielt mindestens einen Cocktail gratis - zu einem Minderumsatz in Höhe von 18.000 DM und einer prozentuale Abweichung zum erklärten Umsatz von 3,63%. Eine Nachkalkulation unter Ansatz der für die Getränke anhand des Wareneinkaufs und der Verkaufspreise konkret ermittelten Aufschlagsätze und eines pauschalen Aufschlagsatzes für sämtliche Speisen in Höhe von 280% ergab eine Abweichung zum erklärten Umsatz in Höhe von 25,86%.

Der Betriebsprüfer vertrat die Ansicht, dass die Buchführung nicht ordnungsgemäß sei, der Besteuerung nicht zu Grunde gelegt werden könne und die von ihm durch die Nachkalkulation für das Jahr 1999 ermittelten Aufschlagsätze der Besteuerung der Streitjahre zu Grunde zu legen seien. Nachdem der Antragsteller mit dem Ansatz eines Aufschlagsatzes von 280% für Speisen nicht einverstanden war, ließ der Prüfer von einer Kollegin verschiedene Gerichte aus dem Lokal des Antragstellers kaufen, hierunter auch Gerichte, die der Antragsteller in einer Auflistung als gängige Gerichte benannt hatte, wog die einzelnen Bestandteile der Gerichte aus und vermerkte die jeweiligen Gewichtsanteile für Fleisch, Reis, Soße usw. in einem Protokoll.

Die im Wege der Auswiegung festgestellten Fleischanteile wichen erheblich von den vom Antragsteller mitgeteilten Angaben ab. So enthielten die Gerichte Nr. x2x und x1x einen Entenfleischanteil von 200 g bzw. 236 g während der Antragsteller hierfür jeweils 1000 g Ente pro Portion veranschlagt hatte. Auch der Anteil an Hähnchenbrustfilet im Gericht Nr. x0x betrug statt der vom Antragsteller veranschlagten 350 g nur 177 g. Wegen der Einzelheiten der vom Antragsteller mitgeteilten Gewichtsangaben und des Ergebnisses der Wiegevorgänge wird auf die Aufstellung des Antragstellers und das Wiegeprotokoll Bezug genommen. Wegen der Gewichtung der Aufschlagsätze für die Hauptgerichte sowie der Aufschlagsätze der Speisen und Getränke im Einzelnen wird auf di...

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