Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungswidrige Diskriminierung eines eingetragenen Lebenspartners bei der Grunderwerbsteuer

 

Leitsatz (redaktionell)

Es wird eine Entscheidung des BVerfG darüber eingeholt, ob § 3 Nr. 4 des Grunderwerbsteuergesetzes in der bis zum Inkrafttreten des JStG 2010 vom 8.12.2010 (BGBl I S. 1768) geltenden Fassung insoweit mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist, als der Grundstückserwerb durch den eingetragenen Lebenspartner des Veräußerers nicht von der Grunderwerbsteuer befreit ist.

 

Normenkette

GrEStG § 3 Nr. 4

 

Streitjahr(e)

2009

 

Tatbestand

Sachverhalt, Vortrag der Beteiligten, bisheriger Prozessverlauf

Das vorliegende Klageverfahren betrifft die grunderwerbsteuerliche Ungleichbehandlung von eingetragenen Lebenspartnern und Ehegatten bis zum Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes 2010 vom 8.12.2010 (BGBl. I S. 1768).

Nach dem hier umstrittenen § 3 Nr. 4 GrEStG ist von der Besteuerung nur ausgenommen:

„der Grundstückserwerb durch den Ehegatten des Veräußerers”.

Ehegatten wird die Befreiung von der Grunderwerbsteuer unabhängig vom Vorhandensein von Kindern gewährt. Dagegen sind eingetragene Lebenspartner von der Begünstigung ausgeschlossen bis zum Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes 2010.

Der Kläger hatte mit einem Mann am 1.3.2002 vor dem Standesbeamten in M. eine Lebenspartnerschaft begründet. Die verpartnerten Männer leben seit dem 1.8.2009 voneinander getrennt. Der Kläger ist Vater einer Tochter, die am 14.9.1996 geboren wurde und derzeit in seinem Haushalt lebt. Im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung erhielt der Kläger von seinem Lebenspartner durch notariellen Vertrag vom 12.11.2009 dessen Miteigentumsanteil an einem Hausgrundstück; der Vertrag vom 12.11.2009 ist wie folgt überschrieben: „Übertragungsvertrag nebst Regelungen für die Zeit des Getrenntlebens und für den Fall der Aufhebung der Lebenspartnerschaft”. Der Kläger beantragte Befreiung von der Grunderwerbsteuer nach § 3 Nr. 4 GrEStG. Das beklagte Finanzamt setzte indes mit Bescheid vom 15.12.2009 die Grunderwerbsteuer auf 1.400 Euro fest. Dagegen wandte sich der Kläger mit seinem Einspruch und seinem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vom 15.1.2010.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren beim Finanzamt erhebt der Kläger Klage und trägt beim Finanzgericht im Wesentlichen Folgendes vor:

Die Rechtsauffassung, nach der die Steuerbefreiung für „Ehegatten” nicht auf „Lebenspartner” auszudehnen sei, verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. So habe das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 7.7.2009 (1 BvR 1164/07) aufgezeigt, dass im Hinblick auf die Ungleichbehandlung von verheirateten und eingetragenen Lebenspartnern ein strenger Maßstab für die Prüfung geboten sei, ob ein hinreichend wichtiger Differenzierungsgrund vorliege. Die Zielsetzung des Lebenspartnerschaftsgesetzes ergebe sich aus seiner Benennung in der Langform (Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften). Da eine Ungleichbehandlung von Ehepaaren und eingetragenen Lebenspartnern eine Anknüpfung an die sexuelle Orientierung beinhalte, seien erhebliche Unterschiede zwischen diesen beiden Formen einer auf Dauer angelegten, rechtlich verfestigten Partnerschaft erforderlich, um die konkrete Ungleichbehandlung rechtfertigen zu können. Solche – vom Bundesverfassungsgericht benannten Unterschiede – lägen im vorliegenden Fall nicht vor.

Nachdem das beklagte Finanzamt im Juni 2010 Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Kläger eingeleitet hatte (der Vollstreckungsbeamte erschien im Haushalt des Klägers), zahlte der Kläger die festgesetzte Grunderwerbsteuer in Höhe von 1.400 Euro an das beklagte Finanzamt. Trotz der erfolgten Zahlung verlangte der Kläger weiterhin vorläufigen Rechtsschutz und hält an seinem Klagebegehren fest.

Der Kläger beantragt,

den Grunderwerbsteuerbescheid vom 15.12.2009 in der Fassung des Einspruchsbescheids vom 16.3.2010 aufzuheben.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Finanzamt verweist auf die einschlägige gesetzliche Vorschrift des § 3 Nr. 4 GrEStG. Schon vom Wortlaut her dürfe die Grunderwerbsteuerbefreiung für „Ehegatten” nicht auf „Lebenspartner” ausgedehnt werden.

Die Beteiligten haben erklärt, mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden zu sein (vgl. § 79a Abs. 3, 4 FGO). Anhaltspunkte für einen eventuellen Kompetenzkonflikt zwischen dem (alleinentscheidenden) Berichterstatter (sogenannter konsentierter Einzelrichter) und dem kompletten Personal des 7. Senats des Niedersächsischen Finanzgerichts (einschließlich der anderen Berufsrichter sowie der ehrenamtlichen Richter) sind nicht ersichtlich.

Der Berichterstatter hat – im Anschluss an die Entscheidung des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 21.7.2010 (1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07, BVerfGE 126, S. 400) zur Erbschaft- und Schenkungsteuer – im Rahmen einer rechtswissenschaftlichen Finanzrichtertagung in Berlin – am 16.11.2010 bei Gesetzestextvorbereitern im Bundesfinanzministeri...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge