vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Ertragsteuern aus einer selbständigen Tätigkeit keine Masseverbindlichkeiten nach Freigabe der Tätigkeit
Leitsatz (redaktionell)
- Zu den Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Feststellungsklage.
- Die Anpassung der ESt-VZ liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörde. Damit ist den Steuerbehörden ein nicht bis zum letzten nachprüfbarer Ermessensbereich zugewiesen.
- Wird eine Steuerforderung durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Masse begründet, handelt es sich um eine sonstige Masseverbindlichkeit i. S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Eine als Masseverbindlichkeit zu qualifizierende Steuerforderung ist vorweg aus der Insolvenzmasse zu berichtigen.
- Die auf die Einkünfte der Insolvenzschuldnerin aus selbstständiger Arbeit entfallenden Ertragsteuern sind keine Masseverbindlichkeiten nach Freigabe der Tätigkeit, da die Erträge tatsächlich auch nicht zur Masse gelangen.
Normenkette
InsO §§ 53, 55 Abs. 1 Nr. 1; EStG § 2 Abs. 7 S. 1, § 25 Abs. 1
Streitjahr(e)
2008, 2009
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob aufgrund einer vom Insolvenzverwalter freigegebenen selbständigen Tätigkeit der Insolvenzschuldnerin nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Einkommensteuer-Vorauszahlungen gegenüber der Insolvenzverwalterin festgesetzt werden können.
Die Insolvenzschuldnerin ist als Ärztin selbständig tätig.
Durch Beschluss des Amtsgerichts V. – Insolvenzgericht – vom xx. xx 2005 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin eröffnet und die Klägerin zur Insolvenzverwalterin bestellt.
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens führte die Klägerin den Praxisbetrieb der Insolvenzschuldnerin zunächst fort. Mit Schreiben vom 18. Juni 2007 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass der Betrieb der Arztpraxis mit Ablauf des 30. Juni 2007 aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben werde.
Nachdem der Beklagte mit Bescheid vom 14. Juni 2007 gegenüber der Insolvenzschuldnerin Vorauszahlungen zur Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag ab 2008 festgesetzt hatte und diesen Bescheid der Klägerin bekanntgegeben hatte, beantragte diese mit Schreiben vom 16. Januar 2008, Einkommensteuer-Vorauszahlungen gegenüber der Insolvenzmasse auf 0 € herabzusetzen. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 21. Januar 2008 ab. Zur Begründung führte der Beklagte an, die Festsetzung sei aufgrund dessen, dass die Einkommensteuer eine Personensteuer sei, nicht gegenüber der Insolvenzmasse, sondern gegenüber der Insolvenzschuldnerin erfolgt. Die Klägerin sei als Insolvenzverwalterin lediglich der Bekanntgabeadressat der Vorauszahlungsbescheide.
Gegen die Ablehnung der Anpassung der Vorauszahlungen legte die Klägerin form- und fristgerecht Einspruch ein. Zur Begründung äußerte sie die Ansicht, aufgrund der bedingungslosen Freigabe der selbstständigen Tätigkeit erbringe die Insolvenzschuldnerin durch ihre Arbeit und durch nicht zur Insolvenzmasse gehörende Gegenstände Leistungen, die nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 7. April 2005 (V R 5/04, BStBl II 2005, 848) keine Masseverbindlichkeiten im Sinne des § 55 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO) begründeten. Die Tätigkeit zähle vielmehr zum Bereich der insolvenzfreien Tätigkeit. Demnach sei sie in ihrer Eigenschaft als Insolvenzverwalterin nicht Bekanntgabeadressat für die Einkommensteuer, die möglicherweise aus dieser Tätigkeit resultiere. Die Vorauszahlungsbescheide seien an die Insolvenzschuldnerin zu richten.
Während des Einspruchsverfahrens setzte der Beklagte durch Bescheide vom 31. März 2008 und vom 16. November 2008 die Vorauszahlungen zur Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag für 2008 und 2009 gegenüber der Insolvenzschuldnerin in jeweils verminderter Höhe fest. Die Bescheide wurden der Klägerin gegenüber bekannt gegeben. Zuletzt berücksichtigte der Beklagte Einkünfte der Insolvenzschuldnerin aus selbstständiger Arbeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 23.765 € sowie Versicherungsbeiträge in Höhe von 2.332 € als Sonderausgaben.
Der gegen diesen Bescheid aufrechterhaltene Einspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg; der Beklagte wies diesen durch Einspruchsbescheid vom 16. Februar 2009 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte der Beklagte aus, die Einkommensteuer-Vorauszahlungen stellten Masseverbindlichkeiten dar. Die Klägerin habe als Insolvenzverwalterin die steuerlichen Pflichten der Insolvenzschuldnerin wahrzunehmen. Sie sei somit Bekanntgabeadressat der Vorauszahlungsbescheide.
Hiergegen richtet sich die am 18. März 2009 bei Gericht erhobene Klage. Zur Begründung wiederholt die Klägerin ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsvorverfahren. Ergänzend trägt sie vor, dass keine Einkünfte der Insolvenzschuldnerin aus der selbständigen Tätigkeit als Ärztin zur Insolvenzmasse fließe...