Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Hinzuschätzung wegen abstrakter Möglichkeit zur Löschung bzw. Änderung von Rechnungen
Leitsatz (redaktionell)
Allein der Umstand, dass die zum Schreiben der Rechnungen eingesetzte Software „Verwaltungsscout-Business Edition – Rechnung und Buchhaltung” der Firma Scoutsystems Software ausweislich der Programmbeschreibung die Rechnungen zwar automatisch fortlaufend nummeriert, jedoch die Löschung bzw. Änderung einzelner Rechnungen ermöglicht, ohne dies zu dokumentieren, rechtfertigt für sich noch keine Hinzuschätzung nach § 162 AO. Die Grundsätze, die für Kassensysteme entwickelt worden sind, sind insoweit nicht übertragbar.
Normenkette
AO § 162 Abs. 1 S. 1, §§ 158, 140; EStG 2002 § 4 Abs. 3; UStG 1999 § 22; AO § 146 Abs. 4
Tatbestand
Streitig sind vorliegend der angesetzte Sicherheitszuschlag und die Steuerbarkeit der Pkw-Veräußerung.
Der Kläger ist Servicetechniker für Kran- und Tonanlagen und erwirtschaftet umsatzsteuerpflichtige Umsätze. Bis einschließlich des Streitjahres ermittelte der Kläger seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes. Seit dem 1. Januar 05 ist er buchführungspflichtig.
Unter dem XX.XX.XXXX reichte der Kläger elektronisch seine Umsatzsteuererklärung für das Jahr 04 ein und erklärte darin Lieferungen und sonstige Leistungen zu 19 v.H. in Höhe von XXX und sonstige Leistungen nach § 3 Abs. 9a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) zu 19 v.H. in Höhe von XXX. Unter Berücksichtigung abziehbarer Vorsteuerbeträge in Höhe von XXX ergab sich eine festzusetzende Umsatzsteuer in Höhe von XXX. Die eingereichte Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 04 stand einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung (§164 Abs. 1 der Abgabenordnung – AO –) gleich.
In XXXX fand beim Kläger eine allgemeine Außenprüfung (Betriebsprüfung) unter anderem der Umsatzsteuer für die Jahre 01 bis 05 statt. Die Prüferin stellte im Rahmen der Betriebsprüfung fest, dass der Steuerberater im Streitjahr die laufenden Aufzeichnungen, die laufenden Buchungen, die Einnahmenüberschussrechnungen und die Jahresabschlüsse mittels der Buchführungssoftware DATEV durchgeführt habe. Der Kläger selbst habe die Software „Verwaltungsscout-Business Edition – Rechnung und Buchhaltung” der Firma Scoutsystems Software zum Schreiben der Rechnungen eingesetzt, die – so die Prüferin – ein Datenverarbeitungssystem darstelle. Ausweislich der Programmbeschreibung erfolge eine automatisch fortlaufende Nummerierung der hiermit erstellten Rechnungen. Die Löschung einzelner Rechnungen sei möglich und werde durch die Software nicht dokumentiert. Die Prüferin stellte fest, dass zu zwei Rechnungen aus dem Jahr 05 mit den Rechnungsnummern 05xx1 und 05xx2 keine Erlöse verbucht worden seien. Weder die Rechnungen noch eine Protokollierung der Vorgänge liege hierzu vor. Darüber hinaus sei die Rechnungsnummer 05xx3 doppelt vergeben worden und händisch in die Rechnungsnummer 05xx4 geändert worden.
Da eine „Unverlierbarkeit” der Rechnungen bzw. Daten durch die eingesetzte Software „Verwaltungsscout-Business Edition – Rechnung und Buchhaltung” nicht gewährleistet sei, liege ein erheblicher formeller Mangel der Aufzeichnungen des Klägers vor, weshalb die Finanzbehörde nach § 162 Abs. 1 und 2 AO zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen befugt sei. Die durchschnittliche Rechnungssumme habe im gesamten Prüfungszeitraum 300 € (netto) betragen, weshalb die Prüferin einen Sicherheitszuschlag in Höhe von 1.200 € netto (1.428 € brutto) zur Absicherung des Risikos, das durch den dargelegten Buchführungsmangel entstanden sei, vornahm.
Überdies stellte die Prüferin fest, dass in 01 ein Pkw VW Passat Variant durch Einlage dem (notwendigen) Betriebsvermögen zugeordnet worden sei. Zu Ende Dezember 04 sei eine Entnahme des Pkw zu einem Wert von 500 € gebucht worden, da der Pkw anschließend zu diesem Preis aus dem Privatvermögen veräußert worden sei. Ein Kaufvertrag liege nicht vor, zudem sei der Käufer nicht bekannt. Die Entnahme sei im Rahmen der Jahresabschlussbuchungen Mitte des Jahres 05 und nicht zeitnah mit den anderen Geschäftsvorfällen des Monats Dezember 04 gebucht worden, weswegen eine Veräußerung aus dem Betriebsvermögen anzunehmen sei. Mangels Kaufvertrag oder Zahlungsnachweis sei der Veräußerungspreis zu schätzen. Laut Fahrzeugbewertung nach Schwacke unter Berücksichtigung der Fahrzeug-Identifizierungsnummer sei ein Händlerverkaufspreis von 3.100 € brutto zu erzielen gewesen. Um für die weiteren im Rahmen der Schlussbesprechung vorgetragenen Mängel (u.a. abgenutzte Reifen) einen Ausgleich zu schaffen, nahm die Prüferin einen Abschlag auf 2.500 € brutto vor und erhöhte die Lieferungen und sonstigen Leistungen des Streitjahres 04 um insgesamt 3.301 € (1.200 € für Sicherheitszuschlag; 2.101 € für Pkw-Veräußerung).
Den Feststellungen der Außenprüfung folgend setzte der Beklagte mit nach § 164 Abs. 2 AO geändertem Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 04 vom XX.XX.XXXX die Umsatzsteuer auf XXX herauf und hob den Vorbehalt der Nachprü...