Entscheidungsstichwort (Thema)
USt bei Geldspielautomaten
Tatbestand
Der Kläger betrieb in den Streitjahren 1979 bis 1988 ein Unternehmen, in dessen Rahmen er Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit aufstellte. Die Umsatzsteuer fest Setzungen beruhten auf geschätzten Umsätzen. Die Schätzungsmethode orientierte sich dabei an den Verwaltungsanweisungen (vgl. Abschnitt 149 Abs. 9 Umsatzsteuerrichtlinien – UStR – 1985), d.h. die jeweiligen Umsätze wurden auf das 1,5-fache des Kasseninhalts abzüglich der darin enthaltenen Umsatzsteuer geschätzt. Der Kläger legte gegen die Umsatzsteuerfestsetzungen für die Streitjahre zunächst keine Rechtsbehelfe ein.
Mit Schriftsatz vom 6. Juli 1995 legte der Kläger Einspruch gegen die Umsatzsteuerbescheide für 1979 bis 1988 ein und beantragte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Der Beklagte verwarf die Einsprüche als unzulässig.
Hiergegen richtet sich nunmehr die Klage. Der Kläger vertritt die Auffassung, die Einsprüche seien nicht verfristet gewesen, weil die Rechtsbehelfsfrist des § 355 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) nicht zur Anwendung komme. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) habe in der Rechtssache (… EuGHE 1991 I, Seite 4.292 ff.) entschieden, daß nationale Rechtsbehelfsfristen dem Steuerpflichtigen nicht entgegengehalten werden könnten, wenn der betreffende Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) eine EG-Richtlinie nicht oder nicht ordnungsgemäß umgesetzt habe. Das sei hier der Fall gewesen, weil Art. 11 Teil A Abs. 1 a der 6. EG-Richtlinie in § 10 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) nicht ordnungsgemäß umgesetzt worden sei. Unter Berufung auf das Urteil des EuGH in der Rechtssache (… BStBl II 1994, 548) vertritt der Kläger die Ansicht, daß nach der Richtlinienbestimmung der zwingend festgelegte Gewinnanteil der Spieler nicht zum Umsatzsteuerlichen Entgelt gehöre. § 10 Abs. 1 UStG gehe jedenfalls in Gestalt der Auslegung, die diese Regelung durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) gefunden habe, von anderen Grundsätzen aus. Daher sei Art. 11 Teil A Abs. 1 a der 6. EG-Richtlinie im deutschen Umsatzsteuerrecht nicht ordnungsgemäß umgesetzt worden.
Im Hinblick auf den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist der Kläger der Ansicht, er sei bisher ohne sein Verschulden gehindert gewesen, die Wiedereinsetzung zu beantragen, weil er keine Kenntnis davon gehabt habe, daß das Urteil des EuGH in der Rechtssache Glawe auch auf bestandskräftige Umsatzsteuerfestsetzungen anzuwenden sei. Im übrigen habe ihn auch das BMF-Schreiben vom 5. Juli 1994 (BStBl I 1994, 465) über diesen Umstand im Unklaren gelassen.
Der Kläger beantragt,
die Umsatzsteuer
1979 um |
8.988,31 DM, |
1980 um |
9.922,82 DM, |
1981 um |
11.881,25 DM, |
1982 um |
9.939,17 DM, |
1983 um |
8.682,60 DM, |
1984 um |
9.963,82 DM, |
1985 um |
12.468,84 DM, |
1986 um |
15.198,98 DM, |
1987 um |
15.274,95 DM, |
1988 um |
18.346,31 DM |
herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Meinung, die Einsprüche seien unzulässig, weil der Kläger die Rechtsbehelfsfrist des § 355 AO nicht eingehalten habe. Die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Emmott sei auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden, weil es an der nicht ordnungsgemäßen Umsetzung einer EG-Richtlinie fehle. Die unterschiedliche Rechtsprechung des BFH (BStBl II 1987, 516) und des EuGH (BStBl II 1994, 548) zum Umsatzsteuerlichen Entgelt bei Umsätzen aus dem Betrieb von Geldspielautomaten beruhe auf der unterschiedlichen Auslegung von Tatbestandsmerkmalen, nicht aber auf einer nicht ordnungsgemäßen Umsetzung des Art. 11 Teil A Abs. 1 a der 6. EG-Richtlinie.
Im Hinblick auf das Vorbringen der Beteiligten im übrigen wird auf die Steuerakten zu Steuer-Nr. … sowie die Gerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der Beklagte hat die vom Kläger mit Schriftsatz vom 6. Juli 1995 eingelegten Einsprüche gegen die Umsatzsteuerbescheide 1979 bis 1988 zu Recht als unzulässig verworfen, weil der Kläger die Rechtsbehelfsfrist des § 355 Abs. 1 AO nicht eingehalten hat. Die angefochtenen Umsatzsteuerfestsetzungen sind deshalb bereits vor Einlegung der Einsprüche bestandskräftig gewesen. Darüber hinaus ist auch eine Änderung der Steuerbescheide für die Streitjahre nicht möglich, weil es dafür keine abgabenrechtliche Grundlage gibt. Zwar können Steuerbescheide gemäß § 172 Abs. 1 Nr. 2 d AO u.a. dann geändert werden, wenn dies gesetzlich zugelassen ist. Die Tatbestandsvoraussetzungen der hierfür in Betracht kommenden Regelungen der §§ 173 bis 176 AO sind aber nicht erfüllt.
Eine Durchbrechung der Bestandskraft läßt sich auch nicht aus dem Urteil des EuGH vom 25. Juli 1991 in der Rechtssache (… EUGHE 1991 I, Seite 4.292 ff.) herleiten. In dieser Entscheidung hat der EuGH ausgeführt, daß sich ein Mitgliedsstaat bis zur ordnungsgemäßen Umsetzung einer EG-Richtlinie nicht auf die Verspätung einer Klage berufen kann, die ein einzelner zum Schutz der ihm durch die Bestimmungen dieser Richtlinie verliehenen Rechte erhoben hat. Es bestehen Bedenken, ob sich der EuGH mit ...