rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Gründung und Veräußerung von Vorratsgesellschaften: Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit?

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Zum Begriff des Gewerbebetriebs nach § 15 Abs. 2 EStG.
  2. Ein Stpfl., der über einen Zeitraum von 10 Jahren 40 Vorratsgesellschaften an verschiedene Erwerber veräußert, nimmt am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teil.
  3. Gewinne aus der wiederholten Gründung und Veräußerung von Vorratsgesellschaften sind Einkünfte aus einer gewerblichen Tätigkeit i. S. des § 15 Abs. 2 EStG. Die Gründung und Veräußerung von 40 GmbH-Anteilen in einem Zeitraum von 10 Jahren ist für eine private Vermögensverwaltung untypisch.
 

Normenkette

EStG § 15 Abs. 2

 

Streitjahr(e)

2014

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 27.06.2017; Aktenzeichen IX R 3/17)

BFH (Urteil vom 27.06.2017; Aktenzeichen IX R 3/17)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob Gewinne aus der Gründung und Veräußerung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHs) im Rahmen der gewerblichen Einkünfte nach § 15 Einkommensteuergesetz (EStG) oder als private Beteiligungseinkünfte nach § 17 EStG zu versteuern sind.

Die Klägerin erzielt Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Daneben gründete die Klägerin seit dem Jahr 2005 jeweils als Alleingesellschafterin GmbHs, die über keinen Geschäftsbetrieb und bis auf das von der Klägerin eingezahlte Stammkapital über kein Betriebsvermögen verfügten (Vorratsgesellschaften). Über die Firma S als gegen Zahlung einer Provision eingeschaltete Vermittlerin veräußerte die Klägerin die von ihr gegründeten Vorratsgesellschaften wieder. In den Jahren 2005 bis 2014 veräußerte die Klägerin insgesamt 40 Vorratsgesellschaften. Die Gründungen und Veräußerungen verteilten sich wie folgt:

Jahr

gegründet

veräußert

steuerpflichtiger Gewinn

2005

1

0

… €

2006

4

4

… €

2007

6

6

… €

2008

4

5

… €

2009

4

4

… €

2010

5

4

… €

2011

1

2

… €

2012

8

7

… €

2013

4

3

… €

2014

5

5

… €

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2014 erklärte die Klägerin den Gewinn aus der Veräußerung von fünf Vorratsgesellschaften in Höhe von …€ im Rahmen der Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 15 EStG. Das Finanzamt setzte die Einkommensteuer insoweit erklärungsgemäß fest. Im Einspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, die Einkünfte aus der Gründung und Veräußerung von Vorratsgesellschaften im Rahmen der privaten Vermögensverwaltung erzielt zu haben. Sie begehrte damit die Besteuerung der strittigen Einkünfte im Rahmen des § 17 EStG und damit die Anwendung des Freibetrags nach § 17 Abs. 3 EStG. Zur Begründung trug sie weiter vor, dass es bei der Abgrenzung von privater Vermögensverwaltung und gewerblicher Tätigkeit darauf ankomme, was in den Vordergrund trete: eine Fruchtziehung oder eine händlerartige Umschichtung von Vermögenswerten. Der Begriff „Fruchtziehung” sei weit zu fassen und umfasse nicht nur Zins- oder Dividendenerträge, sondern auch die Erzielung von Veräußerungsgewinnen. Insbesondere seien nach der Rechtsprechung der Wertpapierhandel und der Handel mit Gold als Vermögensverwaltung einzuordnen. Dies müsse auch für die Gründung und Veräußerung von Vorratsgesellschaften gelten.

Das Finanzamt wies den Einspruch als unbegründet zurück. Die Grenze von der privaten Vermögensverwaltung zum Gewerbebetrieb sei überschritten. Die Veräußerung von Vorratsgesellschaften entspreche der typischen Händlertätigkeit. Anders als bei Vermietungsobjekten oder Wertpapieren sei eine Fruchtziehung bei der Gründung und Veräußerung von Vorratsgesellschaften nicht angedacht. Die Vorratsgesellschaften unterlägen keinen Kursschwankungen, was den Handel mit ihnen insbesondere vom Handel mit Gold unterscheide.

Mit ihrer daraufhin erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren mit der Argumentation aus dem Einspruchsverfahren weiter.

Die Klägerin beantragt,

den Einkommensteuerbescheid vom … 2015 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom …2016 abzuändern und die Einkommensteuer anderweitig niedriger festzusetzen und dabei die Einkünfte aus Gewerbebetrieb um einen Betrag von … € zu vermindern.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Finanzamt verweist zur Begründung weitgehend auf den Einspruchsbescheid.

Auf die Schriftsätze der Beteiligten, die vom Finanzamt vorgelegten Steuerakten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung wird Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung sind rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Der Beklagte hat die Erträge aus der Veräußerung der Anteile an den Vorratsgesellschaften zutreffend als Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 15 EStG erfasst; § 17 EStG ist insoweit nicht anwendbar.

1. Gewerbebetrieb ist gemäß § 15 Abs. 2 EStG eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn sie weder als Ausü...

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