vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld: Ausbildungswilligkeit trotz Nichtannahme des Studienplatzes
Leitsatz (redaktionell)
- Kindergeld für ein volljähriges Kind, das das 25. Lebensjahr nicht vollendet hat, setzt voraus, dass sich das Kind ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht; das Bemühen um den Ausbildungsplatz ist glaubhaft zu machen.
- Es liegt im Einflussbereich des Kindergeldberechtigten, Vorsorge für den Nachweis der Ausbildungswilligkeit des Kindes zu treffen.
- Ein Kind, welches sich um einen Ausbildungs-/Studienplatz zum nächstmöglichen Ausbildungs-/Studienbeginn bewirbt, ist beginnend mit dem Zeitpunkt der Bewerbung mindestens bis zum Zeitpunkt des nächstmöglichen Ausbildungs-/Studienbeginns zu berücksichtigen und zwar unabhängig davon, ob die Ausbildungsstelle angetreten oder der Studienplatz angenommen wird.
- Das gilt jedenfalls so lange, wie sich die Eigenbemühungen als ernsthaft und nicht als nur zum Schein erfolgt darstellen, bzw. die nicht erfolgte Annahme einen sicheren Rückschluss auf die fehlende Ernsthaftigkeit der Bemühungen zulässt.
- Die Ablehnung eines angebotenen Ausbildungs-/Studienplatzes ist nicht gleichbedeutend mit der Beendigung der Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c
Streitjahr(e)
2009
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung ab
August 2009 und der Rückforderung überzahlten Kindergeldes für den Zeitraum August 2009 bis November 2009.
Der Kläger ist kindergeldberechtigter Vater seiner Tochter S. M. (S), geboren
19. September 1987. Vor dem Streitzeitraum bemühte sich S vergeblich um eine Ausbildungsstelle bei der Polizei und bewarb sich anschließend bei insgesamt 15 Universitäten/Fachhochschulen um einen Studienplatz für das Wintersemester 2009/2010. Am 21. Juli 2009 erhielt sie daraufhin eine Zulassung zur Hochschule Bremen. Sie konnte jedoch die Auflagen der Hochschule – vorausgesetzt war eine abgeschlossene Berufsausbildung – nicht erfüllen. Ferner erhielt S einen Zulassungsbescheid der Fachhochschule Hildesheim, datiert auf den 20. Juli 2009. Der Zulassungsbescheid enthielt eine Annahmefrist bis zum 1. August 2009, die S verstreichen ließ. Daneben bekam sie eine Zusage der Universität Bielefeld für einen Studienplatz im Bereich Rechtswissenschaften (Schreiben der Dekanin vom 10. Juli 2009). Danach bestand die Möglichkeit, sich spätestens zum Beginn des Wintersemesters 2009/2010 im Oktober 2009 dort einzuschreiben. Für die weiteren Bewerbungen um einen Studienplatz erhielt S im Juli/August 2009 ablehnende Bescheide.
S schrieb sich schließlich auch nicht für das Studienfach Rechtswissenschaften an der Universität Bielefeld zum Wintersemester 2009/2010 ein. Weitere Bewerbungen für einen Studienplatz im Sommersemester 2010 oder einen anderen Ausbildungsplatz erfolgten im Anschluss nicht. Stattdessen nahm sie in den Monaten August bis Dezember 2009 eine Aushilfsstelle in einem Hotel an. Ausweislich des vorgelegten Einkommensteuerbescheides 2009 betrugen ihre Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit insgesamt 5.706 €.
Nach einem weiteren Praktikum im Sommer 2010 begann S am 1. März 2011 ein Studium an der Fachhochschule Osnabrück.
Mit Bescheid vom 6. November 2009 hob die beklagte Familienkasse die Festsetzung des Kindergeldes ab August 2009 auf und forderte das überzahlte Kindergeld in Höhe von 656 € zurück. Die Entscheidung wurde damit begründet, dass S im Juli 2009 drei Zulassungsbescheide erhalten habe. Sie habe deshalb ein Studium beginnen können und sei somit nicht mangels Ausbildungsplatz gehindert, eine Berufsausbildung zu beginnen oder fortzusetzen. Zudem sei die Tochter des Klägers auch für die Monate August bis Dezember 2009 als Aushilfe in einem Sporthotel tätig gewesen.
Der hiergegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg.
Mit der vorliegenden Klage verfolgt der Kläger sein Begehren aus dem Einspruchsverfahren auf Aufhebung des Aufhebungs- und Rückforderungsbescheides weiter. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen Folgendes vor: Der Kläger sei anspruchsberechtigt im streitigen Zeitraum, da seine Tochter S trotz ernsthafter Bemühungen daran gehindert gewesen sei, eine Ausbildung zu beginnen oder fortzusetzen. S habe sich an insgesamt 15 Universitäten/Fachhochschulen beworben und sich dort um einen Studienplatz bemüht. Am 21. Juli 2009 habe sie eine Zulassung zur Hochschule Bremen erhalten, habe jedoch die dortigen Auflagen nicht erfüllen können. Die vorausgesetzte abgeschlossene Berufsausbildung habe sie nicht nachweisen können mit der Folge, dass diese Zulassung als Ablehnung zu bewerten sei. Ferner habe S einen Zulassungsbescheid der Fachhochschule Hildesheim, datiert auf den 20. Juli 2009, erhalten. Diesen Studienplatz habe sie bis zum 1. August 2009 a...