Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung der Berufsausbildung von der Berufstätigkeit beim Kindergeld

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Vorbereitung auf ein Berufsziel dienen alle Maßnahmen, bei denen es sich um den Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen handelt, die als Grundlagen für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind. Als solche zählen auch Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen, die dazu dienen, Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen zu erwerben, die geeignet sind, als Grundlagen für die Ausübung des Berufs „Kauffrau für Bürokommunikation” zu dienen.

2. Der Umstand, dass als Rechtsgrundlage des mit dem Kind abgeschlossenen Arbeitsvertrages § 19 BSHG angegeben ist, der mit „Schaffung von Arbeitsgelegenheiten” überschrieben ist, steht dem nicht entgegen. Denn auf welcher Rechtsgrundlage das Kind Einkünfte und Bezüge bezieht, ist nach der Systematik des Gesetzes nicht erheblich.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2a

 

Streitjahr(e)

1998

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Klägerin für das Jahr 1998 Kindergeld für ihre Tochter T zusteht.

Die 1973 geborene Tochter T lebt mit ihren beiden Kindern in Berlin. Bis Mai 1998 besuchte sie die Volkshochschule, um den Realschulabschluss zu erreichen. In dieser Zeit erhielt sie Leistungen nach dem Berufsausbildungsförderungsgesetz. Anschließend nahm sie an einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahme für Sozialhilfeempfängerinnen nach § 19 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) „Kauffrau für Bürokommunikation” teil, die wie eine Erstausbildung mit einer Prüfung vor der IHK enden sollte. T schloss hierfür einen Arbeitsvertrag mit dem Bezirksamt X von Berlin. Die Tätigkeit umfasste ausschließlich Arbeiten nach dem BSHG im Rahmen einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahme. Die Beschäftigung konnte bei einem Dritten erfolgen. Gezahlt wurden T nach Vergütungsgruppe IXb Bundesangestelltentarif (BAT) monatlich ca. 2.772,57 DM. Beschäftigungsstelle war die Y gGmbH. Die Gesamtmaßnahme war auf 27 Monate angelegt. Nach einer Einstiegs- und Vorlaufsphase von 3 Monaten zur Orientierung der Teilnehmerinnen begann die eigentliche Qualifizierungsmaßnahme, die in 24 Monaten die Inhalte des Ausbildungsrahmenplans „Kauffrau für Bürokommunikation” vermitteln sollte. Der Stundenplan wurde vorrangig bestimmt durch direkt kaufmännische Ausbildungsinhalte und den Umgang mit der EDV und den neuen Medien. Eingeschlossen war ein Praktikum von 9 Monaten bei einem Betrieb des ersten Arbeitsmarkts. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die bei den Behörden- und Gerichtsakten befindlichen Unterlagen verwiesen.

Mit Bescheid vom 21.10.1998 hob der Beklagte die Kindergeldfestsetzung für T ab Januar 1998 auf und forderte das überzahlte Kindergeld in Höhe von 2.800 DM zurück. Der Beklagte war der Auffassung, T sei 1998 ganzjährig in Ausbildung gewesen, und ihre Einkünfte und Bezüge hätten den Jahresgrenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) überschritten. Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Vorverfahren die Klage.

Die Klägerin meint, der Jahresgrenzbetrag sei wegen hoher Werbungskosten von T nicht überschritten. Zumindest sei für den Zeitraum Januar bis Mai 1998 Kindergeld festzusetzen und zu zahlen. Die Klägerin habe das Kindergeld für den Lebensunterhalt der Tochter verbraucht und darauf vertraut, es behalten zu dürfen.

Die Klägerin beantragt,

den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid ersatzlos aufzuheben.

Der Beklagte hält an seiner Rechtauffassung fest und beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2002 zu gerichtlichem Protokoll erklärt, auf eine weitere mündliche Verhandlung zu verzichten.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Der Beklagte war zur Aufhebung der Kindergeldfestsetzung ab Januar 1998 befugt. Zeichnet sich während eines Kalenderjahres ab, dass die Einkünfte oder Bezüge eines Kindes den Jahresgrenzbetrag gemäß § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG voraussichtlich überschreiten werden, so ist die Familienkasse berechtigt, die Festsetzung des Kindergeldes rückwirkend mit Wirkung zu Beginn des Kalenderjahres aufzuheben. Dabei kann offen bleiben, ob die Änderung in diesen Fällen auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) allein oder i.V.m. § 175 Abs. 2 AO oder auf § 70 Abs. 2 EStG zu stützen ist (BFH-Urteil vom 26.07.2001 VI R 83/98, BStBl II 2002, 85). Damit ist der rechtliche Grund für die Zahlung des Kindergelds nachträglich entfallen und der Beklagte befugt, die Erstattung des zu Unrecht gezahlten Betrags zu verlangen (§ 37 Abs. 2 AO).

Der Klägerin stand für ihre Tochter 1998 kein Kindergeld zu. Gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a i.V.m. Satz 2 EStG in der für 1998 geltenden Fassung wird ein Kind vom 18. bis zum 27. Lebensjahr nur dann für das Kindergeld berücksichtigt, wenn es sich in einer Ausbildung befindet und eigene Einkünfte und Bezüge von nicht mehr als 12.360 DM im Kalenderjahr hat. T hat sich 1998 ganzjährig in Berufsausbildung befunden (1.). Ihre Einkünfte und Bezüge haben...

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