Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine steuerfreie Grundstücksvermietung bei Nutzungsüberlassung von Räumlichkeiten an Prostituierte, wenn der „Vermieter” berechtigt ist, gleichzeitig weitere Nutzungsverträge über diese Räume mit anderen Prostituierten abzuschließen
Leitsatz (redaktionell)
- Als Grundstücksvermietung i.S.d. § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG gilt die Gebrauchsüberlassung eines Grundstücks während der Mietzeit i.S.d. §§ 535, 536 BGB.
- Eine Vermietung liegt auch vor, wenn einer bestimmten Personengruppe ein Grundstück gegen Entgelt zur Nutzung überlassen wird.
- Die Überlassung von Räumlichkeiten an Prostituierte zur Nutzung mit der Maßgabe, dass der „Vermieter” berechtigt ist, über die Räumlichkeiten gleichzeitig weitere Nutzungsverträge mit anderen Prostituierten abzuschließen, stellt keine steuerfreie Grundstücksvermietung dar. Derartige Nutzungsvereinbarungen entsprechen nicht dem gesetzlichen Leitbild der Miete. Es handelt sich um Vertragsverhältnisse eigener Art, die nicht unter die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG fallen.
Normenkette
UStG § 4 Nr. 12a
Streitjahr(e)
1998
Tatbestand
Streitig ist, ob die Überlassung von Räumlichkeiten an Prostituierte zur Ausübung ihrer Tätigkeit nach § 4 Nr. 12 a UStG von der Umsatzsteuer befreit ist.
Die Klägerin ist Pächterin eines Ladenlokals, das sie an Prostituierte zur Ausübung ihrer Tätigkeit überlässt.
Zwischen der Klägerin und den Prostituierten wird jeweils ein „Nutzungsvertrag” geschlossen, der u.a. folgenden Inhalt hat:
„Der Vermieter überlässt der Mieterin die Räume im Erdgeschoss des Objektes…zur Nutzung als Saunaclub. Der Mieterin ist bekannt, dass die Räumlichkeiten gleichzeitig an weitere Dritte vermietet sind. Bezüglich Art und Zeit der Nutzung werden sich die Mieter untereinander verständigen.…Die Mieterin zahlt für jeden Tag der Nutzung ein Nutzungsentgelt von ... DM ...”
Im Rahmen ihrer Umsatzsteuervoranmeldungen 1998 erklärte die Klägerin die Umsätze aus der Überlassung des Ladenlokals als steuerfrei. Daraufhin führte…in Amtshilfe für den Beklagten eine Ortsbesichtigung in dem Betrieb der Klägerin durch. Dabei stellte er fest, dass dieser über insgesamt 10 Zimmer verfüge, die in unterschiedlicher Größe und Ausstattung zur Ausübung der Prostitution ausgestattet seien.
Der Beklagte erließ am 23. Februar 1999 Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für die Monate Januar bis November 1998, in denen die Umsätze aus der Überlassung des Ladenlokals als steuerpflichtig behandelt wurden. Nach erfolglosem Vorverfahren erhob die Klägerin hiergegen Klage.
Am 31. Juli 2000 erließ der Beklagte einen Umsatzsteuer-Jahresbescheid für 1998, der gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens erklärt wurde. Darin wurden die Umsätze aus der Überlassung des Ladenlokals ebenfalls als steuerpflichtig behandelt.
Die Klägerin ist der Ansicht, sie habe die Räumlichkeiten des Ladenlokals…umsatzsteuerfrei vermietet. Die Vermietung sei in der Form erfolgt, dass sich die Mieterinnen in ähnlicher Art und Weise wie in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zusammengeschlossen hätten. Die Organisation obliege der Zeugin X, die selbst zu den Mieterinnen gehöre. Die Damen würden - vertreten durch Frau X - selber bestimmen, wie die Räume täglich genutzt werden. Frau X vereinnahme auch die Miete und leite diese an den Geschäftsführer der Klägerin weiter. Allenfalls während der Messezeiten seien in den Räumlichkeiten mehr Damen als Zimmer vorhanden.
Die Klägerin beantragt,
die Umsatzsteuer 1998 erklärungsgemäß auf ... DM herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Ansicht, es liege keine steuerfreie Vermietung eines Grundstücks oder Grundstücksteils vor. Das den einzelnen Prostituierten eingeräumte Nutzungsrecht werde durch das gleichzeitig bestehende Nutzungsrecht der übrigen Damen beschränkt. Dabei handele es sich um einen für die Annahme eines Mietvertrages schädlichen Mitgebrauch, weil die Nutzung an den Räumlichkeiten nicht in einem Vertrag mehreren Personen überlassen worden sei, die über ein gemeinsames Ausschluss- und Abwehrrecht gegenüber Dritten verfügten. Vielmehr sei es den Nutzerinnen nicht gestattet, Personen, die nicht Vertragspartner des jeweiligen Rechtsverhältnisses seien, an der Mitnutzung des Gebäudes zu hindern. Die Klägerin habe es folglich in der Hand, das Nutzungsrecht der einzelnen Prostituierten zu atomisieren und den Vertragsinhalt einseitig zu beeinflussen. Darüber hinaus seien die Räumlichkeiten nicht auf einzelnen Prostituierte aufgeteilt, sondern diese würden jeweils wechselnde Räume mit ihrem jeweiligen Kunden nutzen. Deshalb liege kein Mietvertrag im Sinne des Bürgerlichen Rechts vor.
Das Gericht hat Frau X als Zeugin zu der Frage der Nutzung der Räume im Haus…vernommen. Wegen des Ergebnisses des Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 10. Januar 2002 Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Steuerakten zu Steuer-Nr.…sowie die Gerichtsakte Bez...