rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Anerkennung von Darlehensverträgen zwischen nahen Angehörigen trotz Nichtbeachtung zivilrechtlicher Formvorschriften
Leitsatz (redaktionell)
- Zur steuerrechtlichen Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen.
- Beachten die Vertragsbeteiligten zivilrechtliche Formerfordernisse nicht, spricht das zwar gegen die Ernsthaftigkeit der getroffenen Vereinbarung, muss im Einzelfall aber nicht zwingend dazu führen, das Vertragsverhältnis steuerrechtlich nicht anzuerkennen.
- Fehlt es einem Darlehensvertrag zwischen nahen Angehörigen an der wegen Minderjährigkeit eines der Vertragspartner erforderlichen Mitwirkung eines Ergänzungspflegers, ist das ein Beweisanzeichen gegen die Ernsthaftigkeit des Vertrages. Entsprechen Gestaltung und Durchführung des Vertrages ansonsten aber dem zwischen Fremden Üblichen und wirken die Vertragsbeteiligten nach Erkennen der Unwirksamkeit des Vertrages zeitnah auf die Genehmigung eines Ergänzungspflegers hin, so ist der Vertrag steuerlich anzuerkennen.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1, § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 12
Streitjahr(e)
1992
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im dritten Rechtsgang um die steuerliche Anerkennung von Darlehensverträgen zwischen der Klägerin und ihren minderjährigen Enkeln.
Wegen des Sachverhalts wird auf das Urteil im ersten Rechtsgang vom 17.12.2003 (1 K 10543/00) und den Gerichtsbescheid des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 07.06.2006 (IX R 4/04 - BStBl II 2007, 294) verwiesen.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Einkommensteuerbescheides 1992 vom 19.08.1998 und der Einspruchsentscheidung vom 17.08.2000 die Einkommensteuer 1992 auf 6.446 DM herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Die Klage ist begründet. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Die Darlehensverträge zwischen der Klägerin und ihren Enkeln sind steuerlich anzuerkennen. Die streitigen Darlehenszinsen sind als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 Nr. 1 EStG) bei den Einkünften der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu berücksichtigen.
1. In der Revisionsentscheidung vom 12.05.2009 (IX R 46/08 – BFH/NV 2009, 1326) führt der BFH aus, Vertragsverhältnisse zwischen nahen Angehörigen seien steuerrechtlich nur anzuerkennen, wenn die Verträge bürgerlich-rechtlich wirksam vereinbart worden seien und sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entsprächen. Fehle es innerhalb eines Familienverbundes typischerweise an einem Interessensgegensatz und könnten zivilrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten steuerrechtlich missbraucht werden, so sei es im Interesse einer effektiven Missbrauchsbekämpfung geboten und zulässig, an den Beweis des Abschlusses und an den Nachweis der Ernstlichkeit von Vertragsgestaltungen zwischen nahen Angehörigen strenge Anforderungen zu stellen. Die besonderen Anforderungen der Rechtsprechung bildeten Beweisanzeichen (Indizien) bei der im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu treffenden Entscheidung, ob die streitigen Aufwendungen in einem sachlichen Zusammenhang mit dem Erzielen von Einkünften stünden oder dem nicht steuerbaren privaten Bereich (§ 12 Einkommensteuergesetz [EStG]) zugehörig seien. Ließen die Vertragsbeteiligten zivilrechtliche Formerfordernisse unbeachtet, so führe dieses Beweisanzeichen gegen die Ernsthaftigkeit der getroffenen Vereinbarung – anders als z.B. das Nichterfüllen eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals – nicht allein und ausnahmslos dazu, das Vertragsverhältnis steuerrechtlich nicht anzuerkennen. Die Indizwirkung gegen den vertraglichen Bindungswillen werde verstärkt, wenn es den Vertragspartnern angelastet werden könne, zivilrechtliche Formvorschriften insbesondere bei klarer Rechtslage nicht beachtet zu haben.
Die Beachtung der zivilrechtlichen Formerfordernisse bei Vertragsabschluss und die Kriterien des Fremdvergleiches aber bildeten lediglich Beweisanzeichen (Indizien) bei der im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu treffenden Entscheidung, ob die streitigen Aufwendungen in einem sachlichen Zusammenhang mit der Erzielung von Einkünften stünden oder dem nicht steuerbaren privaten Bereich zugehörig seien. Insbesondere die zivilrechtliche Wirksamkeit des Vertragsabschlusses dürfe nicht zu einem eigenen Tatbestandsmerkmal dergestalt verselbständigt werden, dass allein die Nichtbeachtung zivilrechtlicher Formvorschriften die steuerrechtliche Nichtanerkennung des Vertragsverhältnisses zur Folge habe (vgl. BVerfG, Beschluss vom 07.11.1995 – 2 BvR 802/90 – BStBl II 1996, 34). Diese verfassungsgerichtlichen Vorgaben habe der BFH im Urteil vom 13.07.1999 (VIII R 29/97 – BStBl II 2000, 386) aufgenommen und entschieden, dass die zivilrechtliche Unwirksamkeit eines Vertragsabschlusses zwischen nahen Angehörigen nicht ausnahmslos zum Ausschluss der steuerlichen Anerkennung des Vertragsverhältnisses führen dürfe.
Danach seien...