Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen für ein Aufbaustudium nach Unterbrechung der beruflichen Tätigkeit aufgrund der Kindererziehung als Werbungskosten
Leitsatz (redaktionell)
- Ausgaben für ein Aufbaustudium sind als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit abziehbar, wenn bereits das Erststudium zu einem Berufsabschluss geführt hat und es sich bei dem Zweitstudium um ein darauf aufbauendes Zusatzstudium handelt, durch das die im Rahmen des Erststudiums erworbenen Kenntnisse ergänzt und vertieft werden.
- Eine langjährige Unterbrechung der Berufstätigkeit, die durch die Erziehung von Kindern bedingt ist, führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn es kann i.d.R. davon ausgegangen werden, dass die Berufstätigkeit wieder aufgenommen werden soll, sobald das die familiäre Situation zulässt.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1
Streitjahr(e)
1991, 1992, 1993, 1994
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob Aufwendungen der Klägerin für ein Aufbaustudium als (vorweggenommene) Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in voller Höhe oder als Sonderausgaben nur beschränkt abziehbar sind.
Die Kläger sind verheiratet und wurden in den Streitjahren 1991 bis 1994 zusammen veranlagt. Der Kläger erzielte als Mitarbeiter der K AG Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit; die Klägerin war in den Streitjahren überwiegend nicht berufstätig.
In der Zeit von Oktober 1991 bis Juni 1995 studierte die Klägerin an der Technischen Universität X. Es handelte sich dabei um ein - mindestens viersemestriges - wirtschaftswissenschaftliches Aufbaustudium, das den Abschluss eines ingenieur- oder naturwissenschaftlichen Erststudiums voraussetzte. Ziel des Aufbaustudiums war es, das Blickfeld des Ingenieurs bzw. Naturwissenschaftlers um die Kenntnisse ökonomischer Zusammenhänge zu erweitern. Die Teilnehmer sollten dadurch befähigt werden, in Wirtschaft und Verwaltung Führungspositionen einzunehmen, die sowohl ingenieur- bzw. naturwissenschaftliches wie auch wirtschaftswissenschaftliches Denken erfordern. Dem reinen Ingenieur sollte mit dem Studium die Befähigung für Führungsaufgaben vermittelt werden. Die Studieninhalte erstreckten sich sowohl auf volks- als auch betriebswirtschaftliche Themen, wie Kostenrechnung, Statistik, Wirtschaftspolitik, Makroökonomie, Produktwirtschaft, Absatzwirtschaft und Finanzwissenschaften.
Die Klägerin konnte das Aufbaustudium aufnehmen, weil sie im Jahre 1972 an der Technischen Hochschule in Y./Thüringen ihr Diplom in Physik und Technik elektrischer Bauelemente erworben hatte. Anschließend war sie bis 1982 als Entwicklungsingenieurin bei der Firma L bei Berlin tätig. Seit 1983 hatte sie sich voll der Erziehung ihrer Kinder gewidmet. Mit Bescheid vom 26. Januar 1990 hat das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst das Diplom der Klägerin als gleichwertig mit einem Abschluss in Elektrotechnik/Elektronik, abgelegt an einer wissenschaftlichen Hochschule in der Bundesrepublik Deutschland, anerkannt.
Nach Abschluss des Studiums erhielt die Klägerin im April 1996 zunächst eine zeitlich befristete Stelle als Betriebswirtin bei der Stadt A im Bereich Controlling.
In den Einkommensteuererklärungen 1991 bis 1994 machte die Klägerin Aufwendungen für das Aufbaustudium (6.847 DM für 1991, 7.780 DM für 1992, 6.825 DM für 1993 und 6437 DM für 1994) als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend.
Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) sah die – der Höhe nach unstreitigen - Aufwendungen demgegenüber als Weiterbildungskosten im Sinne von § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG an und berücksichtigte dementsprechend nur 900 DM jährlich als Sonderausgaben. Das Studium habe nicht der Fortbildung in einem ausgeübten, sondern der Ausbildung in einem nicht ausgeübten Beruf gedient. Die Klägerin habe nach eigenen Angaben ihren Beruf als Ingenieurin im Jahre 1983 aufgegeben. Sie habe das Aufbaustudium absolviert, um wieder in den Beruf einzusteigen. Ein ausreichender wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Studienkosten und den bisherigen und künftigen Einkünften bestehe daher nicht.
Nach insoweit erfolglosem Einspruch halten die Kläger an ihrer Auffassung fest, dass es sich bei dem Aufbaustudium um eine Fortbildungsmaßnahme gehandelt habe. Sie – die Klägerin – habe ihre Erwerbstätigkeit nie endgültig aufgeben wollen. Es habe sich nur um eine (vorübergehende) Unterbrechung zum Zwecke der Kindererziehung gehandelt. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) handele es sich bei einem Aufbaustudium, das sich an ein abgeschlossenes Erststudium anschließe, um eine Fortbildung. Das Arbeitsamt habe ihr geraten, das Studium aufzunehmen, um nach der langen Pause den Wiedereinstieg in den Beruf zu ermöglichen. Ein Zusammenhang mit zukünftigen Einkünften sei auch gegeben, weil sie sich nach Abschluss der Ausbildung bei verschiedenen Arbeitgebern beworben habe und schließlich bei der Stadt A angestellt worden sei. D...