Entscheidungsstichwort (Thema)
Bei der Ermittlung des Kindergeld-Jahresgrenzbetrages sind die Sozialversicherungsbeiträge von den Einkünften des Kindes abzuziehen
Leitsatz (redaktionell)
Bei der Prüfung, ob der Jahresgrenzbetrag i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG überschritten ist, ist der Wortlaut „Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt und geeignet sind” dahingehend auszulegen, dass nur die Einkünfte und Bezüge zu berücksichtigen sind, die nicht durch bestimmte Sonderausgaben, wie etwa die Sozialversicherungsbeiträge, gebunden sind.
Normenkette
EStG § 2 Abs. 2, § 32 Abs. 4 S. 2
Streitjahr(e)
1999
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Aufhebung und Rückforderung von Kindergeld wegen Überschreitens des Jahresgrenzbetrages (§ 32 Abs. 4 Satz 2 Einkommensteuergesetz - EStG -).
Die Klägerin bezog Kindergeld für ihre 1979 geborene Tochter X, die sich in 1999 bei der Firma…in Ausbildung befand. Die Ausbildungsvergütung des Kindes in 1999 betrug 15.079 DM brutto; die Sonderbezüge (Urlaubs- und Weihnachtsgeld) betrugen 1.075 DM.
Nachdem der Beklagte von den Einkünften von X erfahren hatte, hob er durch Bescheid vom 05.01.2000 die Kindergeldfestsetzung rückwirkend ab Januar 1999 auf und forderte das bis Dezember 1999 gezahlte Kindergeld in Höhe von insgesamt 3.000 DM zurück. Den dagegen erhobenen Einspruch wies der Beklagte mit der Begründung zurück, dass die Einkünfte von X - unter Berücksichtigung des Werbungskostenpauschbetrages von 2.000 DM (§ 9a Abs. 1 Nr. 1 EStG) - den Jahresgrenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG für 1999 in Höhe von 13.020 DM überschritten hätten.
Mit der Klage macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass unter Berücksichtigung des Werbungskostenpauschbetrages in Höhe von 2.000 DM und der Beiträge von X zur Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung in Höhe von insgesamt 2.807 DM der Jahresgrenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG 1999 nicht überschritten worden sei.
Die Klägerin beantragt,
den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 05.01.2000 sowie den Einspruchsbescheid vom 13. März 2000 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
In der mündlichen Verhandlung ist unstreitig geworden, dass die von X abgeführten Sozialversicherungsbeiträge für Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung mindestens 2.807 DM betragen haben.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Die Einkünfte von X haben im Jahr 1999 den Jahresgrenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG in Höhe von 13.020 DM nicht überschritten.
Die steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrages in Höhe des Existenzminimums eines Kindes wird durch den Kinderfreibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder durch Kindergeld nach dem 10. Abschnitt des EStG bewirkt (vgl. § 31 Satz 1 EStG). Dabei „... wird ein Kind nur berücksichtigt, wenn es Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 13.020 DM im Kalenderjahr hat ...” (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG 1999).
Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) entspricht der Begriff „Einkünfte” in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG der Legaldefinition des § 2 Abs. 2 EStG, mit der Folge, dass die Sonderausgaben (Sozialversicherungsbeiträge) bei der Ermittlung des Jahresgrenzbetrages unberücksichtigt bleiben (BFH-Urteil vom 21.07.2000 VI R 153/99, BStBl II 2000, 566). Der erkennende Senat folgt dieser Auffassung nicht. Der Senat teilt vielmehr die Auffassung des 7. Senats des Niedersächsischen Finanzgerichts in seinem Urteil vom 16.04.2003 7 K 723/98 Ki (FR 2003, 656), wonach bei der Prüfung, ob der Jahresgrenzbetrag überschritten ist, der Wortlaut „Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausübung bestimmt und geeignet sind” dahingehend auszulegen ist, dass nur die Einkünfte (und Bezüge) zu berücksichtigen sind, die nicht durch bestimmte Sonderausgaben, wie etwa die Sozialversicherungsbeiträge, gebunden sind. Der erkennende Senat macht sich die Entscheidungsgründe des Urteils des 7. Senats zu Eigen und verweist auf diese, die diesem Urteil als Anhang beigefügt sind.
Hiernach sind für X die Einkünfte im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG wie folgt zu ermitteln:
Ausbildungsvergütung |
15.079 DM |
+ Sonderbezüge |
1.075 DM |
|
16.154 DM |
./. Werbungskostenpauschbetrag |
2.000 DM |
Einkünfte |
14.154 DM |
./. Sozialversicherungsbeiträge |
2.807 DM |
Einkünfte im Sinn des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG |
11.347 DM |
Die Ermittlung ergibt, dass die Einkünfte von X den Jahresgrenzbetrag 1999 von 13.020 DM nicht überschritten haben. Der Klage war daher stattzugeben.
Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen, weil das Urteil von dem BFH-Urteil vom 21.7.2000 VI R 153/99 a.a.O. abweicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 151 Abs. 1 und 3 i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Fundst...