Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung Pachtvertrag/Wirtschaftsüberlassungsvertrag bei Überlassung eines landwirtschaftlichen Betriebes
Leitsatz (redaktionell)
- Unter einem Wirtschaftsüberlassungsvertrag ist die unentgeltliche Nutzungsüberlassung des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes gegen Versorgungsleistungen zu verstehen.
- Vom Pachtvertrag unterscheidet sich die Wirtschaftsüberlassung im Wesentlichen nur durch die Entgeltlichkeit. An einem angemessenen Pachtzins (Entgelt) fehlt es, wenn eine erhebliche Abweichung vom üblichen Pachtzins anzunehmen ist.
- Ist erkennbar, dass mit den Leistungen nur die Versorgung des Verpächters gesichert werden soll (z.B. altenteilsähnliche Leistungen), so liegt kein Pachtzins vor, der zur Annahme der Entgeltlichkeit führen kann.
Normenkette
EStG §§ 13, 13a
Streitjahr(e)
1994, 1995, 1996, 1997
Tatbestand
Streitig ist die steuerliche Einordnung eines Vertrages zur Überlassung eines landwirtschaftlichen Betriebes als Pachtvertrag oder als Wirtschaftsüberlassungsvertrag.
Die verheirateten Kläger werden in den Streitjahren 1994 bis 1997 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist Landwirt.
Am 27. Mai 1993 schlossen der Kläger und der Landwirt W. und dessen Ehefrau, die Tante des Klägers, einen als „Wirtschaftsüberlassungsvertrag” bezeichneten Vertrag. Nach § 1 dieses Vertrages überließen die Eigentümer dem Kläger, der ausweislich § 3 Ziff. 4 des Vertrages als Hoferbe vorgesehen war, die Wirtschaftsführung des in H. belegenen landwirtschaftlichen Betriebes zur Größe von 16,06 ha einschließlich der zugehörigen Wirtschaftsgebäude. Die landwirtschaftliche Nutzfläche betrug 17,29 ha. Weiter wurde dem Kläger als Unterverpächter die im Eigentum des H. S., A., stehenden Grünlandflächen zur Größe von 12 ha einschließlich Milchquote überlassen. Außerdem trat der Kläger gemäß § 1 des Vertrages in zwei von den Eigentümern abgeschlossene Pachtverträge über insgesamt 3,18 ha ein. Der Vertrag vom 27. Mai 1993 wurde ab dem 01. Juni 1993 für zunächst zehn Jahre abgeschlossen. Die Hof sollte bei selbständiger und freier Entscheidungsmöglichkeit und in voller Verantwortung in Bewirtschaftung genommen werden. Der Kläger übernahm den Hof mit sämtlichen Rechten und Pflichten. Die Eigentümer behielten sich das Recht vor, sich auf dem Hof mit allen seinen Einrichtungen frei bewegen zu können und nach eigenem Ermessen auf dem Hof mitzuarbeiten. Das mit Antritt übernommene und zum Hof gehörende lebende und tote Inventar, die Vorräte und die Feldbestellung übergaben die Hofeigentümer unter Vorbehalt des Eigentums als eisernes Inventar an den Kläger (§ 2 des Vertrages).
Als Gegenleistung hatte der Kläger nach § 3 des Vertrages gegenüber den Eigentümern als Gesamtberechtigte nach § 428 BGB folgende Leistungen zu erbringen (wörtlich):
„1. Freie Mitbenutzung des zum Betrieb gehörenden Wohnhauses in dem bisherigen Umfange. Über die Verteilung der Räume sind sich Eigentümer und Bewirtschafter einig.
2. Freie Heizung, Strom und Wasser sowie volle dem Alters- und Gesundheitszustand entsprechende angemessene Verpflegung.
3. Übernahme aller auf dem Hof ruhenden Abgaben und Lasten, wie z.B. Grundsteuern, Wasserachtsbeiträge, Kammerbeiträge, Brandkasse, Feuerversicherung, Haftpflichtversicherung usw.
4. Der Bewirtschafter übernimmt die Verzinsung und Tilgung der auf dem Hof ruhenden Verbindlichkeiten als Hoferbe. Laufzeit, Zinsbindung, jährliche Tilgung und Zinssatz sind dem Bewirtschafter bekannt.
5. Die Eigentümer sind berechtigt, den zum Hof gehörenden Pkw des Bewirtschafters in angemessenem Umfang mitzubenutzen.
6. Zahlung einer monatlichen Barleistung in Höhe von 200,- DM, die jeweils am 1. eines jeden Monats fällig wurde.”
Für den Fall der Änderungen der geldlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse wurde eine Anpassung des „Pachtpreises” vereinbart. Auf die Rechte aus § 323 ZPO wurde in diesem Zusammenhang ausdrücklich nicht verzichtet.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf den „Wirtschaftsüberlassungsvertrages” vom 27. Mai 1993 Bezug genommen.
Am 14. März 1994 wurde dieser Vertrag einvernehmlich zu den gleichen Bedingungen bis zum 30. Juni 2006 verlängert (handschriftliche Vereinbarung unter dem Vertrag vom 27. Mai 1993).
In seinen Gewinnermittlungen buchte der Kläger alle mit dem Vertrag vom 27. Mai 1993 bzw. 14. März 1994 zusammenhängenden Aufwendungen als Pachtaufwand.
Eine in 1999 für die Jahre 1995 bis 1997 beim Kläger durchgeführte Außenprüfung gelangte zu der Auffassung, die Vertragsparteien hätten am 27. Mai 1993 einen Wirtschaftsüberlassungsvertrag abgeschlossen, jedoch die steuerlichen Folgen eines Pachtvertrages gezogen. In der Schlussbesprechung der Außenprüfung legte der Kläger einen als Pachtvertrag bezeichneten neuen „Vertrag” mit Datum vom 27. Juni 1993 vor. Der Vertrag hatte in etwa den gleichen Inhalt wie der Vertrag vom 27. Mai 1993. Da dieser neue Vertrag in den vorherigen Verhandlungen über die steuerliche Würdigung des Vertrages vom 27. Mai 1993 nicht erwähnt worden w...