vorläufig nicht rechtskräftig
Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [VI R 54/07)]
Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit einer Anfechtungsklage gegen einen Widerruf einer Anrufungsauskunft
Leitsatz (redaktionell)
- Gegen den Widerruf einer Anrufungsauskunft ist eine Anfechtungsklage nicht zulässig, da es sich bei dem Widerruf nicht um einen Verwaltungsakt handelt.
- Eine Anrufungsauskunft ist kein Verwaltungsakt, sondern eine Wissenserklärung darüber, ob und inwieweit im einzelnen Fall die Vorschriften über die Lohnsteuer anzuwenden sind.
- Die Bindungswirkung der Anrufungsauskunft gilt nicht für den Arbeitgeber, sodass aus der Bindungswirkung kein Regelungscharakter der Auskunft hergeleitet werden kann.
- Eine Feststellungsklage gegen den Widerruf einer Anrufungsauskunft ist ebenfalls unzulässig.
Normenkette
FGO § 40; EStG § 42e S. 1
Streitjahr(e)
2000
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist der Widerruf einer Anrufungsauskunft gemäß § 42 e Einkommensteuergesetz (EStG).
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen zur Verteilung von Direktwerbemitteln. Für verschiedene Kaufleute und Handelsunternehmen aus der Region werden durch die Klägerin in zahlreichen Städten und Gemeinden Werbeprospekte, Flyer, Angebotszettel und ähnliches Werbematerial an Privathaushalte verteilt. Hierzu setzt sie eine größere Anzahl von Mitarbeitern als Zusteller der Werbeprospekte und Anzeigenblätter ein. Die wechselnde Anzahl liegt zwischen 300 und 500 Verteilern. Es handelt sich vorwiegend um Schüler, Jugendliche, Studenten und Rentner. Ursprünglich war das Unternehmen der Klägerin in W angesiedelt. Im Jahr 2000 plante man den Sitz nach G in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten zu verlegen. Am 12. Juli 2000 stellte die Klägerin daher die Anfrage beim Finanzamt X, wie diese Mitarbeiter steuerlich zu behandeln seien. Am 11. August 2000 wurde daraufhin die Auskunft erteilt, dass nach dem geschilderten Sachverhalt die Mitarbeiter als selbstständig anzusehen seien. Nach Abgabe dieser Auskunft hat die Klägerin ihren Betrieb in den Finanzamtsbezirk des Beklagten verlegt und stellte daraufhin am 20. Februar 2001 erneut die Anfrage, ob es bei der erteilten Auskunft verbleibe. Mit Schreiben vom 27. April 2001 wurde die Auskunft nach § 42 e EStG erteilt. Danach verblieb es bei der Einschätzung des Beklagten, dass es sich um eine selbstständige Tätigkeit der Mitarbeiter handele. Aufgrund der erteilten Anrufungsauskunft wurde die Unternehmensumsiedlung durch die Klägerin im Jahr 2001 durchgeführt.
Am 18. März 2002, widerrief der Beklagte mit sofortiger Wirkung die genannte Anrufungsauskunft mit der Begründung, dass in der Anwendung des Urteils des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 6. Mai 1999 (Az. 11 K 679/97) die Zusteller von Anzeigenblättern Arbeitnehmer seien mit der Folge, dass die ausgezahlten Bezüge lohnversteuert werden müssten. Dies Urteil sei dem Beklagten bei Erteilung der Anrufungsauskunft nicht bekannt gewesen. Gleichzeitig wurde mitgeteilt, dass die Lohnversteuerung ab dem Anmeldungszeitraum April 2002 zu erfolgen habe. Mit Schreiben vom 13. Mai 2002 wurde mitgeteilt, dass der erste Lohnsteuerabführungszeitraum von April 2002 auf Juni 2002 verschoben werde. Das Schreiben erging ohne Rechtsbehelfsbelehrung. Die Klägerin legte am 11. April 2002 gegen den Widerruf Einspruch ein. Der Einspruch wurde mit Einspruchsbescheid vom 27. November 2002 als unzulässig zurückgewiesen. Dagegen erhob die Klägerin am 27. Dezember 2002 Klage.
Bereits im Februar 2002 hatte das Finanzamt W einen Haftungsbescheid gegen die Klägerin erlassen, in dem es ebenfalls um die Lohnsteuerpflicht der Verteiler ging. Es schloss sich ein Einspruchsverfahren gegen den Haftungsbescheid an. Ebenfalls im Februar 2002 wurde vom Beklagten gegen die Klägerin eine Prüfungsanordnung zwecks Durchführung einer Lohnsteueraußenprüfung erlassen.
Die Klägerin trägt im Klageverfahren vor, der Beklagte sei an das Ergebnis der Anrufungsauskunft gebunden. Sofern der Beklagte gegenüber einem Steuerpflichtigen auf dessen Anfrage hin eine verbindliche Zusicherung treffe, die auf einer umfassenden Information des Beklagten beruhe und wesentliche wirtschaftliche oder unternehmerische Entscheidungen des Steuerpflichtigen begründe, sei diese Entscheidung der Steuerbehörde bindend. Der Steuerpflichtige könne dann auf diese Zusicherung vertrauen und genieße Bestandsschutz. Dem Beklagten seien insoweit alle Informationen bekannt gewesen. Ein Vertrauensschutz gelte nur dann nicht, wenn die erteilte Auskunft in einer solchen Weise offensichtlich rechtswidrig sei, dass der Steuerpflichtige die Rechtswidrigkeit kannte oder zumindest hätte kennen können (BFH Urt. v. 11. September 2002 IX R 28/98).
Der Einspruch sei auch zulässig. Entgegen der Auffassung des Beklagten entfalte die Anrufungsauskunft als Verwaltungsakt auch eine Regelungswirkung. Wenn bereits telefonische Auskünfte eine Bindungswirkung entfalten könnten, müsse dies erst recht für eine formell...