Entscheidungsstichwort (Thema)
Versicherer als Entrichtungsschuldner der Versicherungssteuer
Leitsatz (redaktionell)
- Für die Entrichtung der Versicherungssteuer hat in erster Linie der Versicherer und nicht der formelle Steuerschuldner (Versicherungsnehmer) einzustehen. Die Zahlungspflicht des Versicherers ist als Entrichtungsschuld vorrangig.
- Die Ermessensentscheidung des Finanzamt, ob der Versicherungsnehmer als Steuerschuldner oder der ausländische Versicherer vorrangig als Entrichtungsschuldner für die Steuer in Anspruch zu nehmen ist, hat grds. so zu erfolgen, dass der ausländische Versicherer als Entrichtungsschuldner zur Zahlung der Versicherungssteuer heranzuziehen ist.
Normenkette
VStG § 7 Abs. 1 Sätze 1-3, Abs. 3
Streitjahr(e)
1990, 1991, 1992, 1993, 1994, 1995
Nachgehend
Tatbestand
Streitgegenstand sind die Versicherungssteuerbescheide vom 22.05.1995 und 16.08.1995 sowie die dazu ergangenen Einspruchsbescheide vom 21.09. und 29.09.1995.
Die Klägerin (Kl'in) betreibt einen Helikopterdienst in der Rechtsform der GmbH. Sie hat in den Streitjahren für im Inland registrierte Flugzeuge Kaskoversicherungen bei britischen Versicherern abgeschlossen. Diese Versicherungen wurden über die Firma B AG Insurance Brokers in X vermittelt.
Über diese Versicherungen erhielt die Kl'in in den Streitjahren seit dem 21.09.1990 Prämienrechnungen, die sie bezahlte. Die Rechnungen lauteten jeweils auf einen bestimmten DM-Betrag. Die Versicherungssteuer wurde nicht gesondert ausgewiesen. Die sich bei den Gerichtsakten befindenden Prämienrechnungen bezeichnen den Rechnungsbetrag als „Total Brutto-Prämie” oder als „Total”.
Nach den Feststellungen der Steuerfahndung ist die auf die Rechnungsbeträge entfallende Versicherungssteuer nicht abgeführt worden.
Der Beklagte (Bekl.) setzte daher gegen die Kl'in als Versicherungsnehmerin Versicherungssteuer in Höhe von insgesamt 300.526, 60 DM fest.
Hiergegen wendet sich die Kl'n und führt dazu im Wesentlichen aus: Sie könne nach der in den Streitjahren bestehenden Rechtslage vom Bekl. nicht zur Zahlung der Versicherungssteuer herangezogen werden.
Steuerschuldner sei zwar der Versicherungsnehmer nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Versicherungssteuergesetz (VersStG). Für die Anmeldung und Abführung der Versicherungssteuer hafte jedoch das Versicherungsunternehmen (§ 7 Abs. 1 Satz 2 VersStG). Das Versicherungsunternehmen habe die Steuer beim Finanzamt anzumelden und für Rechnung des Versicherungsnehmers abzuführen (§ 8 Abs. 1 und § 7 Abs. 1 Satz 3 VersStG).
Wenn das Versicherungsunternehmen keinen Sitz im Inland oder im Gebiet der Europäischen Union habe, bestehe die Pflicht zur Anmeldung und Abführung der Versicherungssteuer durch den Versicherungsnehmer (§ 7 Abs. 3 VersStG).
Das Versicherungsunternehmen habe seinen Sitz im Vereinigten Königreich, mithin im EU-Gebiet. Die Pflicht zur Anmeldung und Abführung der jeweils entstandenen Versicherungssteuer treffe im Streitfall das britische Versicherungsunternehmen (8 Abs. 1 VersStG). Sofern das Versicherungsunternehmen seinen versicherungssteuerlichen Pflichten nicht nachgekommen sei, hafte es für diese Beträge (§ 7 Abs. 1 Satz 2 VersStG). Eine Inanspruchnahme des Versicherungsnehmers scheide unabhängig von der Feststellung, dass er Steuerschuldner sei, aus.
Die Haftungsregeln des § 7 Abs.1 und Abs. 3 VersStG seinen eindeutig und bedürften keiner Interpretation.
Das Argument des Bekl., es habe sich bei den Rechnungen um Nettorechnungen gehandelt, denn die Versicherungssteuer sei nicht offen ausgewiesen worden, sei nicht überzeugend. Sie, die Kl'in, habe als Versicherungsnehmer bei den Rechnungen darauf vertraut, dass der Versicherer seinen versicherungssteuerlichen Pflichten nachgekommen sei. Sie habe keinen Anlass gehabt, darüber nachzudenken, ob es sich um eine Netto- oder um eine Bruttorechnung handele. Außerdem sei die Versicherungssteuer gem. § 7 Abs. 4 VersStG Teil der Prämie.
Der Versicherungsnehmer habe auch kein besonderes Interesse am gesonderten Ausweis der Versicherungssteuer. Denn anders als bei der Umsatzsteuer gäbe es keine Möglichkeit des Vorsteuerabzugs.
Das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12.12.1973 (BStBl. II 1974, 310) sei entgegen der Auffassung des Bekl. sehr wohl auf den vorliegenden Fall anwendbar. Der BFH habe dort ausgeführt, dass der Versicherer als Entrichtungsschuldner der Versicherungssteuer vorrangig vor dem Versicherungsnehmer in Anspruch zu nehmen sei. Dieses entspreche auch der Praxis bei der Inanspruchnahme des Arbeitgebers für Lohnsteuer.
Die Klägerin beantragt,
die Versicherungsteuerbescheide vom 22.05.1995 und 16.08.1995 sowie die Einspruchsbescheide vom 21.09.1995 und 29.09.1995 ersatzlos aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Seiner Auffassung nach sind die ergangenen Bescheide rechtmäßig. Der Versicherungsnehmer sei gem. § 7 Abs. 1 VersStG Steuerschuldner der Versicherungssteuer. Der Versicherer habe die Verpflichtung, die Steuer für Rechnun...