vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [III R 67/08)]

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld: Erstattungsanspruch nach § 74 Abs. 2 EStG i.V.m. § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen des § 103 Abs. 1 SGB X vorliegen, so ist derjenige Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte.
  2. Nachrangig verpflichtet ist ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre.
  3. Die Sozialhilfe als Hilfe zum Lebensunterhalt ist gegenüber dem Anspruch auf Kindergeld gemäß § 62 ff. EStG insoweit eine nachrangige Leistung, als das Kindergeld der Förderung der Familie dient.
  4. Kindergeld und laufende Hilfe zum Lebensunterhalt dienen im Ergebnis demselben Zweck.
 

Normenkette

EStG §§ 62, 74 Abs. 2; SGB X §§ 104, 103

 

Streitjahr(e)

2003, 2004

 

Tatbestand

Die Klägerin macht gegenüber dem Beklagten als Träger von Sozialleistungen einen Erstattungsanspruch gemäß § 74 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 104 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuchs (SGB) X für die Zeit vom 1. November 2003 bis Juli 2004 in Höhe von 1.260,56 € geltend.

Streitig ist ein Kindergeldanspruch für A. (geb. am … 1982), den Sohn der Beigeladenen. A lebte seit Juli 2002 in einer eigenen Wohnung … in H. Im Anschluss an ein freiwilliges soziales Jahr (vom 1. August 2002 bis 31. Juli 2003) besuchte er ab 26. August 2003 bei der Volkshochschule H einen 10-monatigen Tageskurs mit dem Ziel, den Realschulabschluss zu erwerben.

Die Klägerin gewährte A in der Zeit vom 18. September 2003 bis zum 30. September 2004 Hilfe zum Lebensunterhalt. Die Klägerin zahlte A in den Monaten Januar und Februar 2004 jeweils 91,28 € und in den übrigen Monaten Beträge, die das Kindergeld in Höhe von 154 € übersteigen. Wegen der Zahlungen für den Zeitraum September 2003 bis Juli 2004 im Einzelnen wird auf die Berechnungsnachweise in dem nicht paginierten Verwaltungsvorgang der Klägerin Bezug genommen.

Mit Bescheid vom 25. Juli 2003 bewilligte der Beklagte der Beigeladenen Kindergeld für A für die Zeit vom 1. August bis 31. Oktober 2003.

Am 23. September 2003 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass sie A Sozialhilfe nach den Bestimmungen des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) zahle. Gleichzeitig stellte sie einen Antrag auf Kindergeld im berechtigten Interesse gemäß § 67 Abs. 1 EStG und meldete einen Erstattungsanspruch des von der Beigeladenen beantragten Kindergeldes gemäß „§ 74 Abs. 5 EStG i.V.m. §§ 103, 104 SGB X” bis zur Höhe ihrer Aufwendungen an.

Mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2003 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass keine Nachzahlungsbeträge gemäß § 74 Abs. 2 EStG zur Verfügung stünden. Außerdem forderte er die Klägerin auf, einen Heranziehungsbescheides gegenüber der Beigeladenen zu übersenden und Nachweisen dafür vorzulegen, dass die Beigeladene aufgrund mangelnder Leistungsfähigkeit nicht zum Unterhalt herangezogen werden könne oder aus sonstigen Gründen ihrer Unterhaltsverpflichtung nicht nachkomme. Für den Fall, dass sich die Klägerin nicht bis zum 30. Oktober 2003 melde, werde er nach Aktenlage entscheiden. Auf dem Schreiben befindet sich ein auf den 6. Oktober 2003 datierter Absendevermerk. Eine Antwort auf dieses Schreiben enthält die Kindergeldakte nicht.

Mit Bescheid vom 23. März 2004 bewilligte der Beklagte der Beigeladenen Kindergeld für A für die Zeit von November 2003 bis Juli 2004. Im Rahmen des Verwaltungsverfahrens hatte die Beigeladene dem Beklagten als Anlage ihres Kindergeldantrages vom 11. März 2004 auch Berechnungsnachweise der Klägerin über die Hilfe zum Lebensunterhalt für die Monate Oktober bis Dezember 2003 eingereicht.

Die Klägerin, in deren Verwaltungsvorgängen sich das Schreiben des Beklagten vom 2. Oktober 2003 nicht befindet, wandte sich mit Schriftsatz vom 30. März 2004 erneut an den Beklagten.

Im Anschluss an einen regen Schriftwechsel zwischen Klägerin und Beklagtem lehnte der Beklagte mit förmlichem Bescheid vom 30. Juli 2004 einen Antrag auf Erstattung des Kindergeldes nach § 74 Abs. 5 EStG vom 23. September 2003 und nach § 74 Abs. 2 EStG i.V.m. §§ 102 ff. SGB X vom 22. Juli 2004 ab. Eine Erstattung nach § 74 Abs. 2 EStG i.V.m. § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X erfordere grundsätzlich, dass ein Anspruch auf Kindergeld für einen Zeitraum in der Vergangenheit bestehe, für den ein Sozialhilfeträger trotz nachrangiger Leistungsverpflichtung Leistungen ohne Anrechnung des Kindergeldes dem Berechtigten für seine Kinder oder den Kindern allein erbracht habe. Soweit die Familienkasse das Kindergeld bereits an den Berechtigten bzw. einen Dritten geleistet habe, bestehe keine Ersatzpflicht.

Ein Erstattungsanspruch nach § 74 Abs. 2 EStG i.V.m. § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X setze ferner die Gleichartigkeit der Leis...

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