Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufrechnung in der Wohlverhaltensphase mit Umsatzsteuererstattungsansprüchen aus einem neu gegründeten Unternehmen
Leitsatz (redaktionell)
- Besteht Streit über die Frage, ob dem Stpfl. ein Erstattungsanspruch gegen das FA zusteht, wird darüber durch Abrechnungsbescheid gemäß § 218 AO entschieden.
- Diese Entscheidung ergeht im Erhebungsverfahren und betrifft nicht das Festsetzungsverfahren.
- Einwendungen gegen Grund und Höhe der dem Abrechnungsbescheid zu Grunde liegenden Steuerfestsetzung können im Verfahren über den Abrechnungsbescheid nicht erhoben werden. Die Rechtmäßigkeit der Steuerbescheide wird nicht mehr geprüft.
- Zu den Voraussetzungen einer Aufrechnung nach § 226 Abs. 1 AO i.V.m. § 387 BGB.
- Das FA kann gegenüber einer Erstattungsforderung aus einer Umsatzsteuer-Voranmeldung mit einer fälligen USt-Nachzahlung auch dann aufrechnen, wenn der Stpfl. mit seiner früheren Erwerbstätigkeit als Einzelunternehmer insolvent geworden ist und nunmehr erneut als Einzelunternehmer tätig geworden ist. Denn unterschiedliche Rechtspersönlichkeiten werden hierdurch nicht begründet.
- Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens verliert der Stpfl. als Unternehmer nicht seine umsatzsteuerliche Unternehmereigenschaft i. S. des § 2 UStG. Er wird lediglich in seinem Verwaltungs- oder Verfügungsrecht beschränkt.
Normenkette
UStG § 2 Abs. 2; InsO § 80; AO § 226; InsO § 35 Abs. 1, §§ 95-96
Tatbestand
Der Kläger war mit dem Betrieb eines Einzelunternehmens im Handel mit Telekommunikationsgeräten als Unternehmer tätig. Mit Beschluss des Amtsgerichts … vom 16.07.2003 … wurde gegen ihn das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet. Der Beklagte meldete gegenüber dem Insolvenzverwalter mit Feststellungsbescheid gem. § 251 Abs. 3 AO i.V.m. § 179 Abs. 1 InsO vom 2. Dezember 2003 u.a. fällige Umsatzsteuer 2002 in Höhe von 3.300 € an. Seinen zunächst dagegen erhobenen Widerspruch nahm der Insolvenzverwalter mit Schreiben vom 22. Januar 2004 gegenüber dem Amtsgericht ...(Insolvenzgericht) zurück. Die Restschuldbefreiung wurde mit Beschluss vom 18. Mai 2006 mit der Maßgabe angekündigt, dass diese erteilt werde, wenn er während der Laufzeit der Abtretungserklärung (Wohlverhaltensphase) die Obliegenheiten gemäß § 295 InsO erfüllt und die Restschuldbefreiung nicht zuvor nach §§ 296 ff InsO versagt wird. Seine pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge gingen nach Maßgabe der Abtretungserklärung auf den Treuhänder über. Mit Beschluss vom 25. August 2006 (73 IN 123/03) wurde das Insolvenzverfahren aufgehoben. Die Wohlverhaltensphase begann mit der Verfahrenseröffnung am 16.07.2003 und betrug 6 Jahre.
Der Kläger nahm im Dezember 2006 im Einverständnis mit dem Insolvenzverwalter im Rahmen eines Einzelunternehmens eine neue selbständige Tätigkeit auf, die keinen Bezug zu seiner vorherigen Tätigkeit hatte. Er nutzte auch keine Unternehmensgegenstände oder Räume aus seiner vorangegangenen Tätigkeit. Die neue Tätigkeit des Klägers umfasste zunächst die Erstellung von Webseiten. Mitte/Ende 2007 wurde das Unternehmen um die Tätigkeit eines Inkassounternehmens in Zusammenarbeit mit einem Anwalt und einer Tätigkeit als freier Kamerareporter erweitert.
Am 5. Januar 2009 gab der Kläger für das 4. Quartal 2008 eine Umsatzsteuervoranmeldung ab, aus der sich ein Guthaben i.H.v. 503,33 € ergab. Der Beklagte buchte das Guthaben am 13.01.2009 auf die Umsatzsteuernachzahlung 2002 (…) um. Am 13. Mai 2009 reichte der Kläger eine berichtigte Umsatzsteuervoranmeldung für das 4. Quartal 2008 ein, aus der sich ein Erstattungsbetrag i.H.v. nur 24,34 € ergab. Durch die erfolgte Umbuchung ergab sich für das 4. Quartal 2008 ein Nachzahlungsbetrag i.H.v. 478,88 €, der gegenüber dem Kläger nicht beigetrieben werden konnte.
Nachdem sich der Kläger erfolglos gegen die Umbuchung und die Beitreibung der Umsatzsteuerforderung i.H.v. 478,99 € gewandt hatte, erteilte der Beklagte am 27. Mai 2009 antragsgemäß einen Abrechnungsbescheid gemäß § 218 Abs. 2 Abgabenordnung (AO). In dem Abrechnungsbescheid erklärte der Beklagte u.a. die Aufrechnung des Erstattungsbetrages aus dem 4. Quartal 2008 i.H.v. 503,33 € mit der Umsatzsteuernachzahlung 2002 gemäß § 226 AO i.V.m. §§ 387 f BGB. Der dagegen eingelegte Einspruch war erfolglos. Hiergegen richtet sich die Klage.
Der Kläger macht geltend, die Aufrechnung sei rechtswidrig. Zumindest habe der Beklagte nicht mit dem Guthaben aus der Umsatzsteuervoranmeldung vom 5. Januar 2009, sondern wenn überhaupt mit dem Guthaben aus der berichtigten Umsatzsteuervoranmeldung vom 13. Mai 2009 i.H.v. nur 24,34 € aufrechnen dürfen. Das Guthaben aus der Umsatzsteuervoranmeldung vom 5. Januar 2009 sei nicht begründet gewesen, da es auf einem Buchungsfehler beruhte, dessen Berichtigung in der Umsatzsteuervoranmeldung vom 13. Mai 2009 berücksichtigt worden sei.
Der Kläger beantragt,
den Abrechnungsbescheid für das 4. Quartal 2008 vom 27. Mai 2009 in Gestalt der Einspruc...