vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Beurteilungsmaßstab für die Bestimmung nachträglicher Herstellungskosten bei einem Gebäude
Leitsatz (redaktionell)
- Beurteilungsmaßstab für die Bestimmung nachträglicher Herstellungskosten bei einem Gebäude ist die von der Baumaßnahme betroffene (Teil)Fläche, sofern diese die Eignung als Wirtschaftsgut besitzt.
- Bei der Prüfung, ob nachträgliche Herstellungskosten in der Fallgruppe der Erweiterung vorliegen (§ 255 Abs. 2 Satz 1 Var. 2 HGB), kommt es wegen des Ausreichens auch geringfügiger Erweiterungsmaßnahmen nicht darauf an, ob das Gebäude ein einheitliches Wirtschaftsgut darstellt oder in mehrere Wirtschaftsgüter zu untergliedern ist.
- Eine Baumaßnahme an einem zu anderen als Wohnzwecken genutzten Gebäude führt zu nachträglichen Herstellungskosten in der Variante der wesentlichen Verbesserung (§ 255 Abs. 2 Satz 1 Var. 3 HGB), wenn die Maßnahme bezogen auf die betroffene Teilfläche entweder zu einer Standardhebung in drei der vier für Wohngebäude zentralen Ausstattungsbereichen führt oder wenn die Baumaßnahme unter Berücksichtigung der betrieblichen Zielsetzung des Nutzers der von der Baumaßnahme betroffenen Fläche eine bessere oder eine völlig neue Nutzungsmöglichkeit schafft.
Normenkette
HGB § 255 Abs. 2
Tatbestand
Streitig ist, ob die Aufwendungen für Umbaumaßnahmen in einem vermieteten Geschäftshaus im Jahr ihrer Entstehung vollständig steuerlich abziehbar sind.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), deren Gegenstand die Erzielung von Erträgen aus der Vermietung verschiedener Liegenschaften ist.
Im Streitjahr 2014 hatte die GbR insgesamt neun Gesellschafter, die allesamt Familienangehörige sind. Es handelt sich um die drei Kinder des am 2. November 1986 verstorbenen Bauunternehmers U sowie deren jeweils zwei Abkömmlinge.
Zu den Vermietungsobjekten der GbR gehört das mit einem Geschäftshaus bebaute Grundstück in X-Stadt. Das Gebäude hat das Baujahr 1974 und hatte ursprünglich ein Kellergeschoss, das von den streitgegenständlichen Umbauarbeiten betroffene Erdgeschoss, sowie zwei Obergeschosse (Nutzfläche je rund 620 Quadratmeter). Im Jahr 2002 wurde das Gebäude um ein Staffelgeschoss mit einer Nutzfläche von rund 335 Quadratmetern erweitert.
Der vorliegende Rechtsstreit bezieht sich auf eine in dieser Liegenschaft im Jahr 2014 im Erdgeschoss durchgeführte Baumaßnahme.
Baumaßnahme im Erdgeschoss
Über ihren Architekten reichte die Klägerin am 05.03.2014 bei der Stadt Y einen Antrag auf Änderung sowie Nutzungsänderung nach § 64 Niedersächsische Bauordnung betreffend das Geschäftshaus in X-Stadt ein. Gegenstand des Antrags war die Umnutzung der Erdgeschossfläche. An die Stelle einer Nutzung als Verkaufsfläche für einen Lebensmittelmarkt sollte eine Nutzung als Ladenfläche für eine Apotheke sowie eine Bäckerei mit angeschlossenem Café-Betrieb treten. Die Nutzfläche des von der geplanten Baumaßnahme betroffenen Gebäudeteils sollte vor und nach dem Umbau rund 620 Quadratmeter betragen. Die Kosten des Umbaus wurden vom Architekten auf 90.000 Euro geschätzt.
Laut Baubeschreibung war Auslöser für die beantragte Maßnahme der Auszug des bisherigen Mieters der Erdgeschossfläche, eines Lebensmittelmarkts der Handelskette „O“. Um die Bedürfnisse der neuen Mietinteressenten erfüllen zu können, werde der bisherige Lebensmittelmarkt in zwei Einheiten aufgeteilt. Eine Ladenfläche solle an eine Apotheke mit angeschlossenem Kosmetikstudio vermietet werden (423,26 Quadratmeter), die zweite Fläche an eine Bäckerei mit Café-Betrieb (195,91 Quadratmeter). Im Zuge der Neuvermietung bzw. Umnutzung der Räumlichkeiten sei es erforderlich, Umbauarbeiten und Renovierungsmaßnahmen durchzuführen, namentlich
- den Einbau zusätzlicher Fenster an allen vier Seiten der Erdgeschoss-Außenfassade,
- die Schaffung eines zweiten Eingangsbereichs,
- den Einbau neuer Innentüren,
- den Einbau von Noteingangstüren,
- den Ersatz des vorhandenen Bodenbelags durch Bodenfliesen, Teppichboden bzw. PVC-Plankenbelag,
- eine Erneuerung der bereits vorhandenen abgehängten Decken im Verkaufsraum,
- einen Neuanstrich mit Dispersionsfarbe,
- eine Ergänzung der Frisch- und Abwasserinstallationen sowie der Elektroinstallationen,
- den Einbau einer elektromechanischen Be- und Entlüftungsanlage in der künftigen Apotheke sowie den innenliegenden Räumen des Bäckerei-Cafés,
- die Aufteilung der bisher einheitlich genutzten Fläche in zwei separate Einheiten unter Zuhilfenahme einer 17,5 cm starken Gipskartonwand mit beidseitiger Beplankung.
Als Heizquelle war vor und nach dem Umbau die Nutzung einer Ölzentralheizung vorgesehen.
Vor dem Umbau bestand das Erdgeschoss aus einer zusammenhängenden Verkaufsfläche mit einer Größe von rund 492 Quadratmetern, im Übrigen aus einem Anlieferungsbereich, drei Lagerflächen, je zwei Herren- und Damen-WCs in dem für die Kunden unzugänglichen Lagerbereich, einem Sozialraum und einem Büro für den Marktleiter. Das Erdgeschoss hatte eine Gesamtfläche ...