rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Änderung bestandskräftiger Ablehnung eines Kindergeldantrages bei späterer abweichender Rechtsauslegung

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Der bestandskräftige Ablehnungsbescheid eines Kindergeldantrags ist aufgrund späterer abweichender Rechtsauslegung aufgrund einer Entscheidung des BVerfG und nachfolgender Gesetzänderung nicht zu ändern.
  2. Selbst ein Bescheid, der auf einer von der Entscheidung des BVerfG abweichenden Auslegung einer Rechtsnorm beruht, ist zwar rechtswidrig, aber nicht nichtig.
  3. Das GG beinhaltet keine Verpflichtung, rechtswidrige belastende VA unbeschadet des Eintritts ihrer Bestandskraft von Amts wegen oder auf Antrag aufzuheben. Das gilt auch für bestandskräftige VA, deren Rechtsgrundlage gegen Verfassungsrecht verstößt.
 

Normenkette

EStG § 31 S. 3, § 62 Abs. 2, § 70; AO § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 173 Abs. 1 Nr. 2

 

Streitjahr(e)

2004, 2005

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 30.10.2009; Aktenzeichen III B 175/08)

 

Tatbestand

Streitig ist die Gewährung von Kindergeld für einen Zeitraum, für den bereits ein bestandskräftiger Ablehnungsbescheid vorliegt.

Die Beklagte, die Familienkasse Hannover, lehnte im Bescheid vom 18.10.2005 den Kindergeldantrag des Klägers vom 14.10.2005 ab, da die Voraussetzungen des § 62 EStG nicht erfüllt waren. Dieser Ablehnungsbescheid wurde bestandskräftig.

Auf den erneuten Antrag auf Kindergeld vom 25.10.2006 setzte die Beklagte Kindergeld ab Oktober 2006 fest. Am 1.11.2007 beantragte der Kläger erneut Kindergeld für die Vergangenheit. Mit Bescheiden vom 15.11.2007 wurden die Anträge für die Zeiträume bis 2004 bzw. ab 2005 abgelehnt und Kindergeld für den Zeitraum von Juli 2005 bis September 2006 festgesetzt. Hiergegen wandte sich der Kläger jeweils mit dem Einspruch, soweit Kindergeld für die Zeiträume vor dem 1.1.2005 und vom 1.1.2005 bis 30.6.2005 abgelehnt wurde. Die Einsprüche hatten jedoch keinen Erfolg.

Mit der Klage verfolgt der Kläger sein Begehren aus den Einspruchsverfahren weiter und begehrt Kindergeld für die Zeit von Januar 2003 bis Juni 2005.

Zur Begründung trägt er im Wesentlichen Folgendes vor: Die Beklagte könne sich nicht auf die Bestandskraft des Bescheides vom 18.10.2005 berufen. Die Bestandskraft sei vielmehr bereits selbst durch die Beklagte mit Bescheid vom 15.11.2007 durchbrochen worden. In diesem Bescheid sei trotz entgegenstehender Bestandskraft Kindergeld zurück bis zum Juli 2005 bewilligt worden. Zur weiteren Begründung wird auf die Schriftsätze vom 26.11.2007, 3.12.2007 und 17.12.2007 Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung der Ablehnungsbescheide vom 15.11.2007 sowie der hierzu ergangenen Einspruchsbescheide vom 16.1.2008 für die beiden Kinder des Klägers Kindergeld in gesetzlicher Höhe für den Zeitraum Januar 2003 bis Juni 2005 festzusetzen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte verweist zur Begründung auf seine Einspruchsbescheide.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Die Entscheidung der Beklagten, dem Kläger für seine beiden Kinder unter Hinweis auf den bestandskräftigen Ablehnungsbescheid vom 18.10.2005 kein Kindergeld für den Zeitraum Januar 2003 bis Juni 2005 zu gewähren, entspricht gerade auch unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung der Sach- und Rechtslage.

Der gegenüber dem Kläger ergangene Bescheid vom 18.10.2005, mit dem die Bewilligung von Kindergeld für seine beiden Kinder abgelehnt und das Kindergeld insoweit auf 0 € festgesetzt worden ist, ist bestandskräftig, da der Kläger hiergegen keinen Einspruch eingelegt hat. Die Bestandskraft dieses Bescheides wird auch durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6.7.2004 (1 BvL 4/97, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114 – 118) nicht berührt. Zum einen ist diese Entscheidung zu den Ausländer betreffenden Vorschriften des Bundeskindergeldgesetzes in den Kalenderjahren 1994 und 1995 ergangen. Zum anderen ist zwar aufgrund der vom Bundesverfassungsgericht angemahnten Neuregelung auch die Vorschrift des § 62 Abs. 2 EStG neu gefasst worden, sie erstreckt sich aber, wie sich aus § 52 Abs. 61a Satz 2 EStG entnehmen lässt, lediglich auf die noch offenen Fälle, in denen das Kindergeld noch nicht bestandskräftig festgesetzt worden ist. Damit ist der Streitfall aber von der Neuregelung nicht umfasst, da diesbezüglich bereits eine bestandskräftige Ablehnung vom 18.10.2005 ergangen ist.

Dieser Bescheid ist auch wirksam. Denn selbst ein Bescheid, der auf einer von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abweichenden Auslegung einer Rechtsnorm beruht, ist zwar rechtswidrig, aber nicht nichtig (vgl. BFH-Urteil vom 28.6.2006 III R 13/06, BFH/NV 2006, 2204 (2205)). In diesem Zusammenhang ist auch auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinzuweisen, nach der dem Grundgesetz keine allgemeine Verpflichtung der vollziehenden Gewalt zu entnehmen ist, rechtswidrige belastende Verwaltungsakte unbeschadet des Eintritts ihrer Bestandskraft von Amts wegen oder auf Antrag des Adressaten au...

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