vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [VI R 39/15)]
Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitnehmer (Polizeibeamter) im Außendienst: Regelmäßige Arbeitsstätte
Leitsatz (redaktionell)
- Zum Begriff der regelmäßigen Arbeitsstätte i. S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG a.F.
- Ein Beamter der Wasserschutzpolizei, der in Häfen als Gefahrgutkontrolleur eingesetzt ist, und bei dem der zeitliche Umfang dieser von ihm ausgeübten Tätigkeit insgesamt 30 Std. je Arbeitswoche beträgt, hat auf seiner Dienststelle – im Betrieb des ArbG – keine regelmäßige Arbeitsstätte.
Normenkette
EStG 2009 § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4, S. 1, Abs. 5, § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 5
Streitjahr(e)
2011
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist der Abzug von Fahrtkosten und von Verpflegungsmehraufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.
Die Kläger sind Eheleute, die für das Streitjahr 2011 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger erzielt als Beamter der Wasserschutzpolizei Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Er ist in Häfen als Gefahrgutkontrolleur eingesetzt. In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger die Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und Dienststelle nach Dienstreisegrundsätzen geltend. Außerdem begehrte er den Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von 6 €/Tag. In dem Einkommensteuerbescheid vom 22. November 2012 berücksichtigte der Beklagte (das Finanzamt - FA -) die Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und Dienststelle nur mit dem Satz der Entfernungspauschale und die Verpflegungsmehraufwendungen überhaupt nicht. Er stellte sich auf den Standpunkt, dass der Kläger keine Auswärtstätigkeit ausübe, sondern die Dienststelle seine regelmäßige Arbeitsstätte sei.
Mit dem am 18. Dezember 2012 eingelegten Einspruch machten die Kläger geltend, dass die Dienstelle des Klägers nicht dessen regelmäßige Arbeitsstätte sei. Sie legten eine Bestätigung des Arbeitgebers vor, nach der der Kläger an fünf Tagen mit einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden in seiner Dienststelle eingesetzt sei, seinen Tätigkeitsschwerpunkt aber nicht dort, sondern auf einem Fahrzeug habe und der zeitliche Umfang der auswärts ausgeübten Tätigkeit insgesamt 30 Stunden je Arbeitswoche betrage.
Durch Teil-Einspruchsbescheid vom 15. August 2014 wies das FA den Einspruch im Streitpunkt als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es aus: Nach dem Inhalt der Arbeitgeberbescheinigung suche der Kläger seine Dienststelle nicht nur zum Abholen des Fahrzeuges auf, sondern erbringe dort auch qualitativ bedeutende Teile seiner Tätigkeit, auf die etwa 25 Prozent seiner gesamten Arbeitszeit entfielen. Die Dienststelle sei daher als regelmäßige Arbeitsstätte anzusehen.
Hiergegen richtet sich die am 16. September 2014 erhobene Klage. Zu deren Begründung tragen die Kläger vor, dass nicht nur der quantitative, sondern auch der qualitative Schwerpunkt der Tätigkeit des Klägers im Außendienst liege. Die Tätigkeit in der Dienststelle beschränke sich im Wesentlichen auf die Vorplanung der jeweiligen Kontrollen sowie auf die Bearbeitung umfangreicher Anzeigen. Zum Nachweis beziehen sich die Kläger auf eine Dienstpostenbeschreibung des Arbeitgebers. Danach finden die Gefahrgutkontrollen an den jeweiligen Schiffsliegeplätzen statt. Auch ein Teil der Verwaltungsaufgaben (z.B. Sicherheitsleistungen, Auslaufverbote, Bescheinigungen über die Gefahrgutkontrollen, Erhebung von Verwarnungsgeldern) werde an Ort und Stelle erledigt. Auf die Außendiensttätigkeit entfielen im Regelfall etwa sechs bis sieben Stunden. In der Dienststelle werde hinsichtlich der anstehenden Gefahrgutkontrollen lediglich die Planung (Auswahl der Schiffe) vorgenommen. Außerdem würden dort zur Schichtübergabe die Kontrollergebnisse schriftlich erfasst.
Die Kläger beantragen,
unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 2011 vom 22. November und des dazu ergangenen Teil-Einspruchsbescheids vom 15. August 2014 die Einkommensteuer auf den Betrag herabzusetzen, der sich unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten von x € ergibt.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an der seinem Teil-Einspruchsbescheid zugrunde liegenden Auffassung fest. Ergänzend führt er aus: Selbst wenn der Kläger in seiner Dienststelle keine regelmäßige Arbeitsstätte haben sollte, sei das Hafengebiet als weiträumige Arbeitsstätte anzusehen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Der Kläger kann die Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und Dienststelle in voller Höhe als Werbungskosten abziehen. Außerdem hat er wegen mehr als achtstündiger Abwesenheit von der Wohnung für alle Arbeitstage Anspruch auf Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen.
1. Die Aufwendungen des Klägers für die Fahrten zwischen Wohnung und Dienststelle gehören nach § 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG)...