vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung für Lohnsteuer: Bezug verbilligter Apothekenartikel durch Mitarbeiter eines Krankenhauses über eine Apotheke, die auch ihren Arbeitgeber beliefert
Leitsatz (redaktionell)
- Zur Abgrenzung zwischen echter und unechter Lohnzahlung durch Dritte.
- Das Unterlassen der nach § 38 Abs. 4 Satz 3 EStG geforderten Anzeige des ArbG beim Betriebsstätten-FA kann eine Haftung begründen.
- Beziehen Mitarbeiter eines Krankenhauses über eine Apotheke, die auch ihren ArbG beliefert, verbilligte Apothekenartikel, stellt das keinen dem Lohnsteuerabzug unterliegenden Arbeitslohn von dritter Seite dar.
Normenkette
EStG §§ 38, 32d, 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Streitjahr(e)
2004, 2005, 2006
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheids über Lohnsteuer und sonstige Lohnabzugsbeträge, mit dem der Beklagte die Klägerin als Arbeitgeberin nach § 42d EStG in Anspruch genommen hat.
Die Klägerin war in den Streitjahren 2004 bis 2006 Trägerin eines Krankenhauses und beschäftigte dort 750 Mitarbeiter. Die Klägerin bezog in den Streitjahren aufgrund eines seit dem Jahr 1998 bestehenden Versorgungsvertrags Apothekenartikel aller Art von der Firma X. X lieferte darüber hinaus im Rahmen eines sog. „Mitarbeiter-Vorteilsprogramms” an die Mitarbeiter der Klägerin ebenfalls Apothekenartikel aller Art, wobei die Mitarbeiter einen Nachlass auf den üblichen Apothekenendpreis erhielten. Das Mitarbeiter-Vorteilsprogramm war von X initiiert und den Mitarbeitern bekannt gemacht worden. Die Klägerin hatte diese Bekanntmachung in ihrem Betrieb geduldet.
Die Artikel bestellten die Mitarbeiter von ihrem Arbeitsplatz aus direkt bei X, wobei sie die Station, Name und Krankenhaus, ggf. die Kundenummer angaben. X lieferte dann die bestellten Artikel den Mitarbeitern direkt an ihren Arbeitsplatz im Betrieb der Klägerin, was die Klägerin ebenfalls duldete. Die Mitarbeiter bezahlten die von ihnen bestellten Artikel mittels Einzugsermächtigung direkt an X.
Die Klägerin gab regelmäßig Lohnsteuer-Voranmeldungen ab. Die Belieferung ihrer Mitarbeiter durch X sah sie dabei als lohnsteuerlich unerheblichen Vorgang an.
Im Anschluss an eine Lohnsteuer-Außenprüfung gelangte der Beklagte, dem Prüfer folgend, zu der Auffassung, die Klägerin habe zu Unrecht aus der Belieferung ihrer Mitarbeiter mit verbilligten Apothekenartikeln durch X keine lohnsteuerlichen Konsequenzen gezogen. Die von X den Mitarbeitern eingeräumten Rabatte seien als Arbeitslohn von dritter Seite anzusehen und entsprechend lohnzuversteuern. Der Prüfer erstellte eine Vergleichstabelle für 12 Apothekenartikel, sämtlich nicht verschreibungspflichtige Medikamente, und verglich die Abrechnungspreise von X aus dem Mitarbeiter-Vorteilsprogramm mit denen der Internetapotheke X.de sowie mit der Internetapotheke Y und dem Apothekenabgabepreis. Danach ergab sich im Vergleich zwischen X und der Internetapotheke X.de eine durchschnittliche Ersparnis von rd. 40 %.
Da die Klägerin keinerlei Unterlagen über die Belieferung ihrer Mitarbeiter durch X vorlegen konnte und der Prüfer die genaue Höhe der den Mitarbeitern gewährten Rabatte auch nicht auf andere Weise feststellte, ermittelte der Prüfer die als Arbeitslohn anzusetzenden Beträge im Schätzungswege. Dabei ging er davon aus, dass in 12 % der Fälle Arbeitnehmer die Freigrenze des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG überschritten hätten und der durchschnittliche Rabatt bei jeder dieser Lieferungen bei 60 € gelegen habe, so dass der nachzuversteuernde geldwerte Vorteil pro Jahr 64.800 € betragen habe, nämlich 750 Mitarbeiter x 12 Monate x 60 €/Fall x 12 % = 64.800 €. Der Prüfer wandte dann auf den geldwerten Vorteil einen Bruttosteuersatz von 30 % an, so dass sich ein jährlicher Haftungsbetrag von 19.440 € ergab.
Der Beklagte erließ gegenüber der Klägerin einen entsprechenden Haftungsbescheid. Zur Begründung gab er an, die Klägerin hafte als Arbeitgeberin nach § 42d EStG, weil sie Lohnsteuer und andere Lohnabzugsbeträge in unzutreffender Höhe einbehalten, angemeldet und abgeführt habe. Die Klägerin werde an Stelle der jeweiligen Arbeitnehmer in Haftung genommen, weil ein Haftungsausschluss nicht vorliege und sie sich mit ihrer Inanspruchnahme einverstanden erklärt habe.
Die Klägerin legte Einspruch ein. Sie machte geltend, der Beklagte nehme sie zu Unrecht als Arbeitgeberin in Haftung. Sie habe zutreffenderweise aus der Rabattgewährung an die Mitarbeiter durch X keine lohnsteuerlichen Konsequenzen gezogen. Die Rabatte seien nämlich nicht als steuerpflichtiger geldwerter Vorteil anzusehen.
Der Beklagte wies den Einspruch der Klägerin durch Einspruchsbescheid vom 9. März 2010 als unbegründet zurück. Er hielt an seiner Auffassung fest, die geldwerten Vorteile aus der Rabattgewährung seien als geldwerter Vorteil nachzuversteuern. Die Klägerin als Arbeitgeberin sei wegen der unzutreffenden Einbehaltung, Anmeldung und Abführung ...