vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Lieferungen über ein Warenlager in Deutschland
Leitsatz (redaktionell)
- Der unionsrechtliche Begriff der Lieferung bezieht sich nicht auf die Eigentumsübertragung in den durch das anwendbare nationale Recht vorgesehenen Formen, sondern umfasst jede Übertragung eines körperlichen Gegenstands durch eine Partei, welche die andere Partei ermächtigt, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer.
- Für den Fall der Versendung oder Beförderung nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG muss der Abnehmer bei Beginn der Versendung oder Beförderung feststehen.
- Zum Begriff des sog. Konsignationslagers.
- Lieferungen in ein deutsches Warenlager unterliegen im Inland nicht der USt, sofern bei Einlieferung der Waren in das Lager schon ein Kaufvertrag mit einem konkreten Abnehmer besteht.
Normenkette
UStG 2005 § 3 Abs. 1, 6 S. 1
Streitjahr(e)
2010
Tatbestand
Streitig ist die umsatzsteuerliche Behandlung von Warenlieferungen der Klägerin über ein in Deutschland gelegenes Warenlager.
Bei der Klägerin handelt es sich um eine britische Kapitalgesellschaft in der Rechtsform einer Private Limited Company, welche ihren Sitz in Großbritannien, in XX-Road unterhält. Sie ist in der Automobil-Zulieferindustrie tätig und beliefert ihren Kunden, die A-AG, mit in Großbritannien hergestellten Aluminiumzierblenden.
Im Rahmen von Just-in-Time-Lieferverträgen versandte die Klägerin ihre Ware für die A-AG in ein von diesem ausgewähltes Warenlager. Dort wurde die Ware für die A-AG nach deren Vorgaben EDV-technisch erfasst und umgepackt. Je nach Bedarf wurde die Ware anschließend direkt vom Automobilproduzenten in die nahe Produktion übernommen.
Hierfür wurden zwischen der Klägerin und den Abnehmern Vereinbarungen in Form von Einkaufsabschlüssen und Einkaufsabschluss-Änderungen schriftlich festgehalten, wonach die Klägerin nach individueller und zeitlicher Vorgabe der Kunden ihre Produkte hergestellt und in ein von ihr bei einem Lagerhalter angemietetes Lager (Lieferanten-Logistik-Zentrum, LLZ) nach Deutschland liefert.
Für die zeitliche Dauer von wenigen Tagen bis maximal 4 Wochen erfolgt dort eine Zwischenlagerung der Produkte bis zum Abruf und der Entnahme der Waren durch die Kunden und den sich anschließenden Weitertransport zur Fertigungsstätte der Fahrzeuge. Die Abrechnung durch Erteilung einer Gutschrift erfolgt dann gegen Vorlage eines vollständig ausgefüllten Lieferscheins zum 25. des der Lieferung folgenden Monats.
Im exemplarisch vorgelegen Einkaufsabschluss vom 12.12.2011 zwischen der Klägerin und der A-AG heißt es hierzu in Textziffer 1.c: "Der Lieferant gewährleistet die Lieferung des Bedarfs im Hinblick auf die unten genannten Vertragsumfänge. Ein Anspruch auf Abnahme einer bestimmten Menge von Teilen steht dem Lieferanten nicht zu. Von der A-AG mitgeteilte Mengen sind lediglich unverbindliche Planmengen. Die vom Lieferanten zu liefernden verbindlichen Stückzahlen und die Liefertermine ergeben sich aus den einzelnen Lieferabrufen der A-AG".
Unter den allgemeingültigen Liefer-, Zahlungs-, Verpackungs- und Verpackungsrücksendekonditionen ist geregelt: "Die Verfügungsmacht gemäß Umsatzsteuergesetz geht erst mit Entnahme der Ware aus dem LLZ auf die A-AG über".
Nach Punkt 1. der zugrunde liegenden "Bestimmungen zur Lieferung über ein von einem externen Dienstleister als Lagerhalter bewirtschaftetes Lieferanten-Logistik-Zentrum (fremdbewirtschaftetes LLZ)" ermächtigt der Lieferant die A-AG, einen externen Dienstleister (EDL) als Lagerhalter im Namen und auf Rechnung des Lieferanten mit der Bewirtschaftung eines LLZ zu beauftragen und dieses Vertragsverhältnis auch wieder zu beenden. Die Bewirtschaftung des LLZ als Lieferantenlager durch einen EDL erfolgt im Auftrag und zu Lasten des Lieferanten.
Die A-AG meldet hiernach (Punkte 2 und 3: Bereitstellung der Ware und Leistungsumfang) dem Lieferanten zunächst die prognostizierte Bedarfsmenge an Ware durch den Lieferabruf (LAB), wobei der jeweils aktuelle LAB dem Lieferanten zur Produktionsplanung dient und ausdrücklich nicht die Funktion einer hinsichtlich Menge und Termin verbindlichen Bestellung hat. Dies dient dem Lieferanten lediglich dazu, geeignete Maßnahmen zu treffen, um mit seinen Lieferungen in das LLZ die nachfolgende Produktionsversorgung der A-AG sicherzustellen. Der Lieferant ermächtigt die A-AG, nach Rücksprache Qualitätskontrollen an der im LLZ befindlichen Ware des Lieferanten durchzuführen und ist selbst ausdrücklich berechtigt, Ware aus seinem Bestand zu überprüfen (z. B. Qualität und Quantität) und zu entnehmen.
Nach Punkt 3.3. ist die A-AG berechtigt, die Ware des Lieferanten entsprechend der Produktionsabrufe aus dem LLZ zu entnehmen. In Bezug auf den Lieferabruf gilt als vereinbart: "Im Falle einer Voll- bzw. Teilannullierung von Bestellmengen übernimmt die A-AG für die in den Feldern "Fertigungs- bzw. Materialfreigabe" festgelegten Zeiträume die Abnahmeverpflichtung ...