vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Heilberufliche Tätigkeit i. S. des § 4 Nr. 14 UStG – Einlegen von Spiralen
Leitsatz (redaktionell)
- § 4 Nr. 14 UStG ist richtlinienkonform auszulegen. Nach der 6. EG-Richtlinie befreien die Mitgliedsstaaten von der Steuer „die Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedsstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe erbracht werden”. Eine Heilbehandlung in diesem Sinne setzt voraus, dass es sich um ärztliche oder arztähnliche Leistungen handelt, d. h. um medizinische Eingriffe, die zu keinem anderen Zweck als dem der Vorbeugung, Diagnose, der Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen vorgenommen werden.
- Das Einsetzen von Spiralen zur Empfängnisverhütung ist keine heilberufliche Tätigkeit i. S. des § 4 Nr. 14 UStG, weil das Einsetzen der Spiralen nicht ausschließlich zur Vorbeugung, Diagnose, Behandlung oder Heilung von Krankheiten/Gesundheitsstörungen geschieht.
Normenkette
UStG § 4 Nr. 14
Streitjahr(e)
2000
Nachgehend
BFH (Beschluss vom 01.04.2009; Aktenzeichen XI R 83/07) |
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger in seiner gynäkologischen Praxis umsatzsteuerpflichtige Umsätze erzielt hat.
Für das Streitjahr gab der Kläger keine Umsatzsteuererklärung ab.
Der Kläger hat im Streitjahr Spiralbehandlungen durchgeführt und dabei Kupferspiralen (IUP) jeweils pauschal mit einem Betrag von 250 DM und Hormonspiralen (IUS Mirena) jeweils pauschal mit einem Betrag von 600 DM abgerechnet. Der überwiegende Teil der Spiralbehandlungen wurde per Barquittungen mit dem Vermerk „IUP incl. Einlegen” o.ä. abgerechnet.
Nach einer Außenprüfung und Einleitung eines steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens kam die Prüferin zu dem Ergebnis, Umsätze aus dem Einsetzen von Spiralen dienten nicht der Behandlung einer Krankheit und seien daher nicht umsatzsteuerfrei. Die Prüferin ermittelte die der Umsatzsteuer zu unterwerfenden Umsätze für das Streitjahr mit 36.118 DM. Diesen Betrag ermittelte sie anhand der im Streitjahr eingekauften Spiralen von 96 Stück und einem Inventurwert zum 31.12.2000 von 0 Spiralen sowie einem Abgleich mit dem Behandlungskalender des Beklagten. Im Ergebnis legte die Prüferin 41 Behandlungen mit Kupferspiralen und 53 Behandlungen mit Hormonspiralen zugrunde.
Daraufhin erließ der Beklagte am 2.12.2004 einen Umsatzsteuerbescheid für 2000 und legte die von der Prüferin ermittelten Umsätze zum Regelsteuersatz (16 %) zugrunde. Vorsteuerbeträge aus dem Ankauf der Spiralen in Höhe von 2.181,61 DM ließ der Beklagte zum Abzug zu.
Hiergegen wendet sich der Kläger. Er trägt vor, das Einsetzen von Spiralen sei nach § 4 Nr. 14 Umsatzsteuergesetz (UStG) umsatzsteuerfrei. Es handele sich um Leistungen der vorbeugenden Gesundheitspflege im Sinne des Abschnitt 88 Abs.2 Satz 3 der (früheren) Umsatzsteuer-Richtlinien (UStR 2002). Die Vermeidung einer ungewollten Schwangerschaft verhindere erhebliche psychische Konflikte und schwangerschaftstypische Risiken.
Darüber hinaus diene das Einsetzen einer Hormonspirale wie der Mirena nicht nur der Empfängnisverhütung, sondern könne verschiedene gesundheitsfördernden und therapeutischen Zwecken dienen. Außerdem liege in denjenigen Fällen eine Heilbehandlung vor, in denen eine Spirale eingesetzt werde, weil die Patientin die sog. „Pille” nicht vertrage. Auch müsse immer dann eine Heilbehandlung angenommen werden, wenn eine Schwangerschaft für die Patientin gesundheitsgefährdend oder gar lebensgefährdend wäre.
Zwar umfasse der Begriff der Heilbehandlung im Sinne des Art.13 Teil A Abs.1 Buchstabe c der 6. EG-Richtlinie (Art 132 Abs. 1 Buchstabe c der Mehrwertsteuer-SystemRL- MwStSystRL-) solche ärztliche Maßnahme nicht, die zu einem anderen Zweck als dem der Diagnose, Behandlung oder – soweit möglich – der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen vorgenommen würden.
Der therapeutische Zweck dürfe jedoch nicht eng ausgelegt werden. Auch ärztliche Leistungen, die zum Zwecke der Vorbeugung erbracht werden, könnten in den Anwendungsbereich der Steuerbefreiung fallen. Die von der Patientin selbst getragenen Kosten zur Verhütung einer ungewollten Schwangerschaft (u.a. durch Spiraleinlage) seien geeignet, die Kosten für die Betreuung einer ungewollten Schwangerschaft zu verhindern.
Die Auffassung des Beklagten müsse dazu führen, alle Behandlungen im Bereich der Schwangerschaftsverhütung als umsatzsteuerpflichtig anzusehen, auch wenn sie von den gesetzlichen Krankenkassen getragen würden. Dann müsse auch jede ärztliche Untersuchung, die im Zusammenhang mit der Verschreibung der sog. „Pille” zu Verhütungszwecken erfolge, eine umsatzsteuerpflichtige Leistung sein. Die Auffassung des Beklagten führe zu Wertungswidersprüchen, da er alle ärztlichen Leistungen als umsatzsteuerfrei ansehe, wenn der Arzt zum Einnehmen einer Pille rate, jedoch alle ärztlichen Untersuchungen als umsatzsteuerpflichtig ...