Entscheidungsstichwort (Thema)
Berichtigung eines Bescheides nach § 129 Satz 1 AO bei fehlender Berücksichtigung eines nach § 43a Abs. 3 Satz 4 EStG bescheinigten Verlustes
Leitsatz (redaktionell)
Die unterlassene Übernahme eines Verlustes aus einer Verlustbescheinigung nach § 43a Abs. 3 Satz 4 EStG in die Steuererklärung kann bei Vorliegen der Verlustbescheinigung bei der Steuerveranlagung eine Berichtigung des Bescheides nach § 129 Satz 1 AO aufgrund eines Übernahmefehlers begründen.
Normenkette
AO § 129; EStG § 10d Abs. 4, § 43a Abs. 3 S. 4
Streitjahr(e)
2017
Tatbestand
Streitig ist die nachträgliche Berichtigung des Einkommensteuerbescheides 2017 und die Feststellung eines Verlustes aus der Veräußerung von Aktien.
Die Kläger sind verheiratet. Sie wurden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Ihre Einkommensteuererklärung erstellten sie selbst mithilfe eines EDV-Programms. Auf der Anlage KAP beantragten sie die Günstigerprüfung bei den Einkünften aus Kapitalvermögen und gaben Kapitalerträge und daraus einbehaltene Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag an. Diese Beträge übernahmen sie u.a. aus der Steuerbescheinigung einer Bank. Diese Steuerbescheinigung war zugleich eine Verlustbescheinigung i.S.v. § 43a Abs. 3 Satz 4 Einkommensteuergesetz (EStG) und wies Verluste aus der Veräußerung von Aktien in Höhe von 10.211 € aus. Diesen Wert übernahmen die Kläger jedoch nicht in ihre Steuererklärung, die sie dem Beklagten authentifiziert auf elektronischem Wege übermittelten.
Der Beklagte veranlagte die Kläger mit Bescheid vom 22. März 2018 erklärungsgemäß. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
Im Rahmen der Steuerveranlagung für 2018 begehrten die Kläger eine Verrechnung der im Jahr 2017 angefallenen Verluste aus den Aktiengeschäften mit im Jahr 2018 erzielten Gewinnen. Auf eine entsprechende Anfrage beim Beklagten teilte dieser den Klägern mit, dass eine Verrechnung 2018 nicht erfolgt sei, da sie in 2017 keine Verluste erklärt hätten und hierzu auch keine Daten an den Beklagten übermittelt worden seien.
Am 11. Juli 2019 ging beim Beklagten ein Schriftsatz ein, in dem die Kläger die Änderung des Einkommensteuerbescheides 2017 und die Feststellung eines Verlustvertrags bei den Einkünften aus Kapitalvermögen beantragten. Dies lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 23. Juli 2019 unter Verweis auf die Bestandskraft des Einkommensteuerbescheides ab. Der gegen diesen Bescheid eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg. Der Beklagte wies ihn mit Einspruchsentscheidung vom 29. Oktober 2019 als unbegründet zurück.
Mit ihrer daraufhin erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren auf Änderung des Einkommensteuerbescheides 2017 und Feststellung negativer Einkünfte aus Aktiengeschäften zum 31. Dezember 2017 weiter.
Es könne eine Berichtigung des Bescheides nach § 129 Satz 1 Abgabenordnung (AO) erfolgen. Dem Beklagten sei bei Erlass des Einkommensteuerbescheides 2017 eine ähnliche offenbare Unrichtigkeit unterlaufen. Der Sachbearbeiter des Beklagten habe bei Erlass des Steuerbescheides anhand der ihm vorliegenden Steuerbescheinigung ohne weiteres erkennen können, dass der Eintrag des Verlustes in die Anlage KAP nicht erfolgt sei, obwohl die Steuerbescheinigung diesen Verlust ausweise. Die Steuerbescheinigung hätten die Kläger mit weiteren Unterlagen im Nachgang zur elektronischen Übermittlung der Steuererklärung beim Beklagten eingereicht.
Jedenfalls könne aber eine Änderung des Einkommensteuerbescheides nach § 173 Abs. 1 Nummer 2 AO erfolgen. Ihnen sei keine grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Sie hätten lediglich eine Zahl aus der Steuerbescheinigung der Bank nicht in die Steuererklärung übertragen. Sie könnten nicht mehr sagen, ob der Betrag im Steuerprogramm ursprünglich eingegeben, aber der Bearbeitungsstand nicht gespeichert worden sei oder ob die Eintragung versehentlich gänzlich vergessen bzw. übersehen worden sei.
Die Kläger beantragen,
den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 23. Juli 2019 und der Einspruchsentscheidung vom 29. Oktober 2019 zu verpflichten, den Einkommensteuerbescheid 2017 vom 22. März 2018 dahingehend zu ändern, dass ein Verlust aus der Veräußerung von Aktien in Höhe von 10.211 € berücksichtigt wird, sowie einen entsprechenden Verlust in dieser Höhe auf den 31. Dezember 2017 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Steuerbescheinigung der Bank habe bei der Bearbeitung der Steuererklärung nicht vorgelegen. Aus der Steuerakte ergebe sich kein Hinweis auf ein Vorliegen dieser Steuerbescheinigung. Zudem hätten die Kläger in ihrer Steuererklärung angegeben, dass zu der Erklärung keine Papierbelege übersandt würden.
Eine Berichtigung nach § 129 AO komme vorliegend nur dann in Betracht, wenn die Steuerbescheinigung tatsächlich mit der Steuererklärung beim Beklagten eingereicht worden sei. Nur dann hätte der Sachbearbeiter die Möglichkeit gehabt, die fehlende Eingabe zu erkennen. Im Übrigen sei der Beklagte selbst bei Vorliegen der Steuerbescheinigung nicht ver...