Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterhaltsaufwendungen an Bürgerkriegsflüchtling als außergewöhnliche Belastung. Einkommensteuer 1992
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Aufwendungen der Kläger für den Unterhalt und die Ausbildung der im Jahre 1992 aus S. ausgereisten Tochter eines mit den Klägern befreundeten Ehepaares als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 a Einkommensteuergesetz 1992 – EStG – abzugsfähig sind. Die Kläger sind seit über dreißig Jahren mit einem in S. lebenden Ehepaar befreundet. Sie hatten diesem Ehepaar und deren Tochter I. R. im Jahre 1992 dringend geraten, S. zu verlassen und zugleich fest versprochen, der Tochter für den Fall der Ausreise im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu helfen. Im Oktober 1992 hat I. R. S. verlassen und sodann in B. ihr Medizinstudium fortgesetzt. In der Folgezeit haben die Kläger Unterhaltsleistungen an I. R. von monatlich 300 Britischen Pfund – für die Zeit vom 1. Oktober 1992 bis 31. Dezember 1992 insgesamt 2.279 DM – gezahlt. Diesen Betrag machten die Kläger in ihrer Einkommensteuererklärung 1992 als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 a EStG geltend. Das beklagte Finanzamt – FA – ließ diese Unterhaltszahlungen im Einkommensteuerbescheid 1992 vom 20. Oktober 1993 unter Hinweis auf die fehlende Zwangsläufigkeit i.S.d. § 33 a EStG unberücksichtigt. Der hiergegen erhobene Einspruch hatte keinen Erfolg. Mit ihrer Klage begehren die Kläger die Anerkennung der fraglichen Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen und tragen zur Begründung vor: Die fraglichen Aufwendungen seien zwangsläufig. Sie seien aufgrund ihrer gegebenen Zusage, I. R. nach deren Flucht aus S. nach besten Kräften zu unterstützen, zur tatsächlichen Erbringung der Unterhaltsleistungen sittlich verpflichtet gewesen. Hätten sie diese Zusage nicht eingehalten oder hätten sie die Zahlungen eingestellt, so wäre ihr Handeln sittlich anstößig gewesen.
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid 1992 vom 20. Oktober 1993 in der Fassung des Einspruchsbescheids vom 13. September 1994 in der weise zu ändern, daß Unterhaltsleistungen nach § 33 a Abs. 1 Einkommensteuergesetz 1992 von 1.575 DM (3/12 von 6.300 DM) berücksichtigt werden und die Einkommensteuer dementsprechend herabgesetzt wird.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es ist der Auffassung, daß den Klägern die fraglichen Aufwendungen nicht zwangsläufig erwachsen seien. Für die Abzugsfähigkeit der Unterhaltsaufwendungen reiche es nicht aus, daß sittliche Gründe für die Zahlung vorlägen oder sich die Kläger subjektiv hierzu verpflichtet fühlten. Vielmehr sei es erforderlich, daß sich die Steuerpflichtigen der Zahlung aus sittlichen Gründen nicht hätten entziehen können. Diese Voraussetzungen seien im Streitfall nicht erfüllt. Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen wird auf die Gerichtsakte und den Inhalt der beigezogenen Einkommensteuerakte (…) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg. Die fraglichen Unterhaltszahlungen der Kläger sind nicht gemäß § 33 a EStG abzugsfähig.
Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig (§ 33 Abs. 2 EStG) Aufwendungen für den Unterhalt und eine etwaige Berufsausbildung von Personen, für die im veranlagungszeitraum weder er noch eine andere Person Anspruch auf einen Kinderfreibetrag hat, so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, daß die Aufwendungen, höchstens jedoch ein Betrag von 6.300 DM für jede unterhaltene Person i.S.d. § 33 a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird. Voraussetzung ist, daß die unterhaltene Person kein oder nur ein geringes vermögen besitzt (§ 33 a Abs. 1 S. 2 EStG). Für jeden vollen Kalendermonat, in dem die in § 33 a Abs. 1 bis Abs. 3 EStG bezeichneten Voraussetzungen nicht vorgelegen haben, ermäßigen sich die dort bezeichneten Beträge um je 1/12 (§ 33 a Abs. 4 S. 1 EStG).
Die Aufwendungen der Kläger für den Unterhalt und die Ausbildung von I. R. erfüllen die vorgenannten Anforderungen mangels Zwangsläufigkeit i.S.d. § 33 a Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 2 EStG nicht. Die fraglichen Aufwendungen sind zunächst mangels verwandtschaftlicher Beziehungen nicht in Erfüllung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht erbracht worden. Sie sind ferner auch nicht aus sittlichen Gründen zwangsläufig i.S.d. § 33 a Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 2 S. 1 EStG. Nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. z.B. Urteil vom 11. November 1988 III R 262/83, BStBl II 1989, 280 m.w.N.), der sich der Senat anschließt, ist eine die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen nach § 33 Abs. 2 S. 1 EStG begründende sittliche Pflicht nur dann zu bejahen, wenn diese Pflicht so unabwendbar auftritt, daß sie ähnlich einer Rechtspflicht von außen her als eine Forderung oder zumindest Erwartung der Gesellschaft derart auf den Steuerpflichtigen einwirkt, daß ihre Erfüllung als eine selbstverständliche Handlung erwartet und die Mißachtung dieser Erwartung als moralisch anstößig e...