Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Frage der Inanspruchnahme der Steuerbegünstigungen nach §§ 16 Abs. 4 und 34 EStG bei der Veräußerung eines verbliebenen Mitunternehmeranteils an einer GbR
Leitsatz (redaktionell)
- Ob die Inanspruchnahme der Steuerbegünstigungen nach §§ 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 4 und 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 EStG in sachlicher Hinsicht gerechtfertigt ist, ist im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung zu entscheiden. Über das Vorliegen der persönlichen Merkmale für die Inanspruchnahme der Vergünstigungen nach § 16 Abs. 4 und § 34 Abs. 3 EStG ist hingegen bei der Einkommensteuerveranlagung des Steuerpflichtigen zu befinden.
- Wurde ein zum Sonderbetriebsvermögen des Steuerpflichtigen gehörendes Grundstück zuvor aufgrund einheitlicher Planung und in zeitlichem Zusammenhang mit der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils gemäß § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 3 EStG zum Buchwert und ohne Aufdeckung der stillen Reserven übertragen, steht dieses der Feststellung eines Veräußerungsgewinns im Sinne des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG entgegen. Eine Aufgabe der Gesamtplanbetrachtung durch die jüngere Rechtsprechung des BFH ist in diesem Zusammenhang nicht festzustellen. Das Tatbestandsmerkmal der Veräußerung des gesamten Mitunternehmeranteils in § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ist auch weiterhin vor dem Hintergrund des Sinn und Zwecks der Vorschrift auszulegen.
- Die Regelung in § 16 Abs. 4 EStG ist vor dem Hintergrund ihres Zwecks teleologisch auszulegen und im Zusammenspiel mit der Tarifbegünstigung des § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 EStG als Härteausgleich für die zusammengeballte Gewinnrealisierung im Rahmen einer Betriebsveräußerung/-aufgabe zu verstehen. Damit verlangt auch die Inanspruchnahme der Steuerbegünstigung nach § 16 Abs. 4 EStG im Falle der Übertragung eines Mitunternehmeranteils die Aufdeckung und Realisierung aller stillen Reserven.
Normenkette
EStG § 34 Abs. 2 Hs. 1, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1, Abs. 4, § 34 Abs. 1, 2 Nr. 1, Abs. 3, § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 3, Abs. 5
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob der Gewinn aus der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) den Steuerbegünstigungen der §§ 16 Abs. 4 und 34 Einkommensteuergesetz (EStG) unterliegt.
Der Kläger, Herr TA, und Frau MA sind Eheleute und waren im Streitjahr Gesellschafter der A-GbR (Klägerin), einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, deren Zweck der Betrieb einer gemeinschaftlichen Zahnarztpraxis ist. Die Praxis befindet sich im Erdgeschoss in N. Im Obergeschoss befindet sich eine Wohnung, die seit dem 1. Januar 2014 vom Sohn der Eheleute A, FA, bewohnt wird.
Bereits im Jahr 1982 hatten die Eheleute A eine zahnärztliche Gemeinschaftspraxis in der Rechtsform einer GbR gegründet und in diesen Räumlichkeiten betrieben. Das Grundstück, einschließlich der Praxisräume, stand zu diesem Zeitpunkt im gemeinsamen Eigentum der Eheleute A. Das Erdgeschoss und die Hälfte der Garage und des Gartens wurden durch diese an die GbR vermietet und befanden sich, jeweils zu 50 %, im Sonderbetriebsvermögen der Eheleute A. In den Jahren 2003 bis 2013 war neben den Eheleuten A ein weiterer Gesellschafter (G) an dieser GbR beteiligt. Im Januar 2013 teilten die Gesellschafter ihrer steuerlichen Beratung mit, dass der Gesellschafter G aufgrund fortbestehender Differenzen die GbR zum Ende des Jahres 2013 verlassen werde.
Am 17. August 2013 schlossen die Eheleute A mit ihrem Sohn FA einen Vertrag mit Wirkung zum 1. Januar 2014 über die Gründung einer gleichberechtigten zahnärztlichen Gemeinschaftspraxis in der Form einer GbR – die Klägerin – mit dem Zweck der gemeinsamen Ausübung zahnärztlicher Tätigkeiten. Die Gründung der Klägerin sollte unter gleichzeitigem Erlöschen der bis dahin geführten Gemeinschaftspraxis mit G erfolgen. Entsprechend der Präambel sollte der Sohn einen 50%igen Anteil an der Gemeinschaftspraxis von seinem Vater, dem Kläger, erwerben. Das gesamte Inventar der ehemaligen Gemeinschaftspraxis sollte ins Gesellschaftsvermögen übergehen, bis zum Anteilserwerb durch den Sohn allerdings im Eigentum der Eheleute verbleiben (§ 17 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags – GV –). Jedem Gesellschafter wurde das Recht eingeräumt, das Inventar und die Einrichtungen der Praxis zu nutzen. Aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehung verzichteten die Eheleute auf eine Nutzungsentschädigung durch den Sohn (§ 17 Abs. 2 GV). Ferner war eine zeitnahe Übernahme der Wohn- und Praxisräume durch den Sohn geplant (§ 2 GV).
Zum 31. Dezember 2013 schied der Gesellschafter G aus der GbR aus. Zum 1. Januar 2014 erfolgte die Gründung der Klägerin unter Beteiligung des Sohnes FA.
Mit Vertrag vom 4. April 2014 übertrugen die Eheleute A im Wege der vorweggenommenen Erbfolge die Gebäude- und Hofflächen, in N, auf den Sohn zum Alleineigentum. Der Besitz ging am selben Tag auf den Erwerber über. Dieser trat in den bestehenden Mietvertrag mit der Klägerin ein. Die Übertragung des...