Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifbegünstigung für Kalamitätsnutzungen
Leitsatz (redaktionell)
- Nach Feststellung des Schadensfalls sind gemäß § 34b Abs. 4 Nr. 2, 1. HS EStG unverzüglich die tatsächlichen unaufgearbeiteten Schäden der Höhe nach der zuständigen Finanzbehörde mitzuteilen. Bei der Tarifbegünstigung i.S.d. § 34b Abs. 3 EStG handelt es sich um eine den Steuerpflichtigen begünstigende Regelung, so dass er hinsichtlich der eingetretenen Schadenshöhe beweisbelastet ist.
- Der Nutzungssatz i.S.d. § 68 EStDV ist unter Berücksichtigung der gesamten Forstflächen und nicht nur des Schadwaldes zu bestimmen.
Normenkette
EStDV § 68; EStG § 34b
Streitjahr(e)
2017
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die bei der Einkommensteuer 2017 anzuerkennende Holzmenge aus Holznutzungen infolge höherer Gewalt (Kalamitätsnutzungen) im Sinne des § 34b Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Die Kläger sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielt u.a. Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, die er nach § 4 Abs. 1 EStG ermittelt. Das Wirtschaftsjahr ist der Zeitraum vom 01.07. - 30.06. Seine Forstflächen haben eine Gesamtfläche von rund 17,6 ha.
Am xx.11.2017 gab der Kläger beim Beklagten aufgrund eines Sturmschadens vom xx.10.2017 eine Voranmeldung nach amtlichem Vordruck (ESt 34b-Mitteilung (Voranmeldung) Niedersachsen) ab. Darin teilte er für A. eine geschätzte Schadensmenge in Höhe von 50 Erntefestmetern ohne Rinde (Efm o.R.) mit. Am xx.02.2018 gab er eine weitere Voranmeldung aufgrund eines Sturmschadens vom xx.10.2017 für B. mit einer geschätzten Schadensmenge in Höhe von 50 Efm o.R. ab.
Die Forstbetriebsgemeinschaft C. erteilte dem Kläger folgende Gutschriften, die jeweils mit „Kalamität: 100 % Windwurf” bezeichnet waren und am xx.01.2019 beim Beklagten eingingen:
Gutschriftsdatum |
Leistungszeit |
Menge |
xx.12.2017 |
Dez. 2017 |
2,24 Festmeter (Fm) |
xx.01.2018 |
Jan. 2018 |
92,65 Raummeter (Rm) |
xx.01.2018 |
Jan. – Okt. 2018 |
141,9 Rm |
xx.02.2018 |
Jan. 2018 |
94,404 Fm |
Am xx.04.2018 reichte der Kläger eine Abschlussmeldung nach amtlichen Vordruck (ESt 34b Nachweis/Abschlussmeldung) beim Beklagten ein. Darin erklärte er für A. eine tatsächliche Schadensmenge in Höhe von 260,82 Efm o.R., die restlos aufgearbeitet wurde. Für B. gab er solch eine Meldung nicht ab, weil er dafür keine Tarifvergünstigung beanspruchen wollte.
In der Einkommensteuererklärung 2017 erklärte der Kläger bei den Einkünften aus außerordentlichen Holznutzungen nach § 34b EStG Einnahmen aus der Verwertung sämtlicher Holznutzungen in Höhe von x.xxx,xx Euro und maßgebende Holznutzungen in Höhe des zuvor in der Abschlussmeldung angegebenen Betrages. Der Beklagte erkannte im Einkommensteuerbescheid 2017 nur die in den Voranmeldungen aufgeführte Kalamitätsmenge in Höhe von insgesamt 100 Efm o.R. zzgl. 20 % – d. h. 120 Efm o.R. – an und setzte den jährlichen Nutzungssatz für die Anwendung des § 34b Abs. 3 Nr. 2 EStG entsprechend R 34b.6 Abs. 3 der Einkommensteuerrichtlinie (EStR) unter Berücksichtigung der gesamten Forstflächen des Klägers – 17,6 ha – mit 88 Efm o.R. an. Damit wurden die Einkünfte wie folgt berücksichtigt:
Einkünfte ohne Tarifbegünstigung: |
x.xxx,xx Euro (140/260 von x.xxx,xx Euro) |
Einkünfte, die dem halben Steuersatz nach § 34b Abs. 3 Nr. 1 EStG unterliegen: |
x.xxx,xx Euro (88/260 von x.xxx,xx Euro) |
Einkünfte, die dem Viertelsteuersatz nach § 34b Abs. 3 Nr. 2 EStG unterliegen: |
xxx,xx Euro (32/260 von x.xxx,xx Euro) |
Gegen diesen Einkommensteuerbescheid legten die Kläger Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom xx.07.2019 als unbegründet zurückwies. Da er den Klägern im Einspruchsverfahren zudem eine Verböserung angedroht hatte, setzte er die Einkünfte, die einer Tarifbegünstigung unterliegen, jeweils zur Hälfte im Jahr 2017 und 2018 an.
Die Zurückweisung begründete er damit, dass die Höhe der Kalamitätsmenge nicht hinreichend nachgewiesen worden sei. Im Falle einer Tarifbegünstigung für außerordentliche Holznutzungen müsse der Steuerpflichtige die Kalamitätsmenge nachweisen, weil er für diese steuermindernde Tatsache die Beweislast trage. Um den Nachweis für den Steuerpflichtigen zu vereinfachen, sei seitens der Finanzverwaltung ein zweistufiges Verfahren (Voranmeldung und Abschlussmeldung) eingeführt worden. Das Verfahren basiere auf dem Grundsatz, dass dem Finanzamt die Möglichkeit gegeben sein müsse, z.B. durch Begutachtung durch einen amtlichen Forstsachverständigen die Kalamitätsmenge vor Aufarbeitung des Holzes zu überprüfen. Hierzu seien die Schäden infolge höherer Gewalt unverzüglich nach Feststellung des Schadensfalls der zuständigen Finanzbehörde mitzuteilen (Voranmeldung). Bei einer Abweichung bei der Aufarbeitung der Kalamitätsmenge von mehr als 20 % zu der mitgeteilten Schadensmenge, sei eine Berichtigung in Form einer ergänzenden Mitteilung erforderlich, um das Finanzamt weiterhin in die Lage zu versetzen, die Kalamitätsmenge zu überprüfen. Abweichungen von bis zu 20 % wür...