vorläufig nicht rechtskräftig
Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [II R 37/15)]
Entscheidungsstichwort (Thema)
Freibetrag für Pflegeleistungen
Leitsatz (redaktionell)
- Zu den begünstigten Pflegeleistungen zählen die Unterstützung und die Hilfe bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Bereich der Körperpflege, der Mobilität und der hauswirtschaftlichen Versorgung.
- Der Gewährung des Freibetrages in § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG steht nicht entgegen, dass die Klin. als Tochter der Erblasserin abstrakt verpflichtet war, ihrer Mutter Unterhalt zu leisten, konkret aber wegen fehlender Bedürftigkeit keinen Unterhalt zahlen musste.
Normenkette
ErbStG § 13 Abs. 1 Nr. 9
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin ist Tochter und Miterbin zu 1/2 nach ihrer am 20. August 2012 verstorbenen Mutter MCS. Die Erblasserin erlitt im Jahre 2001 bei einer Herzoperation in der Klinik für H in O ein Schädel-Hirn-Trauma und wurde zum Pflegefall. Sie fiel in ein Wachkoma, war gelähmt, lag in embryonaler Haltung und konnte nicht sprechen. Darüber hinaus erlitt sie Spastiken und musste über eine Magensonde ernährt werden. Außerdem war es erforderlich, den Schleim aus den Luftwegen abzusaugen. Die Klägerin hat ihre Mutter ab 12. Dezember 2001 bis zu ihrem Tod in ihr Haus in ein eigens dafür hergerichtetes Zimmer aufgenommen und auf eigene Kosten die Pflege in Gestalt des Absaugens der Luftwegssekrete, des Fütterns über die Magensonde, der Verabreichung von Medikamenten und Spritzen, des regelmäßigen Umlagerns sowie der Körperpflege übernommen.
Die Pflegekasse der AOK E hat Frau MCS in die Pflegestufe III eingeordnet und ihr ab den 16. November 2001 ein Pflegegeld in Höhe von monatlich 664,68 €, ab 1. Januar in Höhe von 665,- € bewilligt.
Die Erblasserin hinterließ Grundvermögen (Grundstück W, AdE) sowie ganz erhebliches Kapitalvermögen (785.543,- €).
Der Beklagte erließ zunächst gegenüber der Klägerin einen Erbschaftsteuerbescheid unter dem Datum des 30. Juli 2013, in dem er die Erbschaftsteuer auf 50.835,- € festsetzte. Dieser beruhte auf einer gesonderten Feststellung des Belegenheitsfinanzamts Wittmund, welches den Grundstückswert für das Grundstück AdE auf 702.660,- € feststellte. Aufgrund eines geänderten Grundlagenbescheides, durch den der Grundstückswert auf 163.954,- € herabgesetzt wurde, änderte der Beklagte den Erbschaftsteuerbescheid unter dem Datum des 10. Oktober 2013 und setzte die Erbschaftsteuer auf
4.865,- € herab.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein und beantragte die Berücksichtigung des Freibetrages gem. § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG in Höhe von 20.000,- €. Zur Begründung verwies sie auf die Entscheidung des erkennenden Gerichts 3 K 229/11 vom 20. April 2012. Der Beklagte ließ den Einspruch zunächst gem. § 363 AO ruhen im Hinblick auf das anhängige Revisionsverfahren beim BFH II R 22/12. Nachdem die Finanzverwaltung die Revision zurücknahm und sich damit der Rechtsmeinung des Niedersächsischen Finanzgerichts anschloss, wies der Beklagte dennoch den Einspruch mit Einspruchsbescheid vom 27. Januar 2015 als unbegründet zurück.
Die Klägerin legt im anschließenden Klageverfahren dar, dass sie rund 11 Jahre lang Pflegeleistungen für ihre schwerstpflegebedürftige Mutter erbracht habe. Ihr stehe deshalb der Pflegefreibetrag vollumfänglich zu. Da ihre Mutter vermögend gewesen sei, hätte sie die Pflegekosten selbst tragen können. Die Klägerin verweist insoweit auf die Entscheidung des Niedersächsischen Finanzgerichts 3 K 229/11 vom 20. April 2012.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Erbschaftsteuerbescheides vom 10. Oktober 2013 und der Einspruchsentscheidung vom 27. Januar 2015 die Erbschaftsteuer unter Berücksichtigung eines Freibetrages gem. § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG in Höhe von 20.000,- € niedriger festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte zitiert lediglich R 13.5. Abs. 1 ErbStR 2011, ohne sich mit der Argumentation der Klägerin auseinanderzusetzen.
Die Verfahrensbeteiligten haben mit Schriftsätzen vom 23. Februar 2015 (Klägerin) und 13. März 2015 (Beklagter) auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Steuerfrei bei der Erbschaftsteuer bleibt gem. § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG ein steuerpflichtiger Erwerb bis zu 20.000,- €, der Personen anfällt, die dem Erblasser unentgeltlich oder gegen unzureichendes Entgelt Pflege oder Unterhalt gewährt haben, soweit das Zugewendete als angemessenes Entgelt anzusehen ist.
Zu den nach dieser Rechtsnorm begünstigten Pflegeleistungen zählen - in Anlehnung an die in § 14 Abs. 4 SGB XI angeführten Hilfeleistungen - die Unterstützung und Hilfe bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Bereich der Körperpflege (z.B. Waschen, Duschen, Kämmen), der Ernährung (z.B. Zubereiten und Aufnahme der Nahrung), der Mobilität (z.B. selbständiges Aufstehen und Zu-Bett-Gehen,
An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen, Verl...