vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld: Kindergeldanspruch für volljähriges Kind nach Eheschließung
Leitsatz (redaktionell)
- Auch für ein verheiratetes volljähriges Kind kann nach dessen Eheschließung ein Kindergeldanspruch bestehen.
- Das Gesetz sieht für verheiratete Kinder keinerlei Einschränkungen für den Kindergeldanspruch der Eltern vor, denn der Kindergeldanspruch setzt keine „typische Unterhaltssituation” voraus.
- Eine nachrangige Unterhaltsverpflichtung der Eltern hat für den Kindergeldanspruch keine Relevanz.
Normenkette
EStG 2009 § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a; EStG §§ 62-63
Streitjahr(e)
2012
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Festsetzung des Kindergeldes ab Juni 2012 für seine volljährige verheiratete Tochter. Streitig ist insbesondere, ob der Kindergeldanspruch nach der Eheschließung der Tochter entfallen ist, weil ab diesem Zeitpunkt der Kläger nur noch nachrangig unterhaltsverpflichtet ist.
Der Kläger ist der leibliche Vater seiner Tochter A. Diese ist am xx. xx 1992 geboren und seit dem xx. Mai 2012 verheiratet. Sie absolvierte nach Abschluss der Realschule im Sommer 2010 im Zeitraum 3. August 2010 bis 8. Juli 2013 eine Ausbildung zur Friseurin.
Die Beklagte gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 13. August 2010 Kindergeld für seine Tochter A. Nachdem die Beklagte Kenntnis von der Heirat der Tochter A erlangt hatte, kam sie zu der Ansicht, dass dem Kläger aufgrund der Heirat und der Höhe der Einkünfte des Ehemannes der Tochter A kein Kindergeld mehr zustehe. Dementsprechend hob die seinerzeit zuständige Familienkasse B mit Bescheid vom 21. Mai 2012 gegenüber dem Kläger das Kindergeld für A ab Juni 2012 nach § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger form- und fristgerecht Einspruch ein. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens legte der Kläger Verdienstbescheinigungen seiner Tochter und deren Ehemann vor, nach deren Inhalten die Tochter im Jahr 2012 insgesamt eine Bruttoausbildungsvergütung i.H.v. 5.740,88 EUR sowie ihr Ehemann einen Bruttolohn i.H.v. 30.311,96 EUR erhalten hatten.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg; die inzwischen zuständig gewordene Beklagte wies den Einspruch durch Einspruchsbescheid vom 22. Mai 2013 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Höhe der Unterhaltsleistungen, die die Tochter A von ihrem Ehegatten beanspruchen könne, schließe einen Kindergeldanspruch nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG aus. Die Beklagte vertrat die Ansicht, nach der Eheschließung sei davon auszugehen, dass die Unterhaltsverpflichtung vorrangig beim Ehepartner liege, so dass ab dem Folgemonat der Eheschließung grundsätzlich kein Kindergeldanspruch der Eltern mehr bestehe. Ein sog. „Mangelfall” liege nicht vor.
Hiergegen hat der Kläger am 5. Juni 2013 Klage erhoben. Zur Begründung vertritt der Kläger die Ansicht, nach Änderung des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 vom 1. November 2011 (Bundesgesetzblatt – BGBl – I 2011, 2131) seien die Höhe der Ausbildungsvergütung des Kindes sowie die Höhe eines Unterhaltsanspruchs gegen den Ehepartner für den Kindergeldanspruch irrelevant.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid über die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung ab Juni 2012 vom 21. Mai 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. Mai 2013 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält an ihrer im Einspruchsbescheid vertretenen Rechtsauffassung fest und verweist auf die dortigen Ausführungen.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO –; Schriftsatz des Klägers vom 17. Juli 2013, Bl. 16 der Gerichtsakte; Schriftsatz der Beklagten vom 5. Juli 2013, Bl. 15 der Gerichtsakte).
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der angefochtene Bescheid über die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung ab Juni 2012 vom 21. Mai 2012 in Gestalt des Einspruchsbescheids vom 22. Mai 2013 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Beklagte hat im Rahmen des § 70 Abs. 2 EStG zu Unrecht den Anspruch des Klägers auf Kindergeld für seine Tochter A ab Juni 2012 verneint. Sie ist unzutreffend davon ausgegangen, dass dem Kläger nach der Eheschließung des Kindes kein Anspruch auf Kindergeld zustehe.
1. Die Beklagte war nicht berechtigt, den Bescheid vom 13. August 2010 über die Gewährung von Kindergeld aufzuheben.
a) Nach § 70 Abs. 2 EStG ist die Festsetzung des Kindergeldes mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben oder zu ändern, soweit in den Verhältnissen, die für den Anspruch auf Kindergeld erheblich sind, Änderungen eintreten.
b) Diese Voraussetzung liegt im Streitfall nicht vor. Mit der Heirat der Tochter ist keine Änderung eingetreten, die für den Anspruch auf Kindergeld erheblich ist.
Der Kläger hat für den Zeitraum ab Juni 2012 weiterhin Anspruch auf Kindergeld für seine Tochter A.
aa) Gemäß §§ 62, 63 Abs...