vorläufig nicht rechtskräftig
Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [V R 10/24)]
Entscheidungsstichwort (Thema)
Hinreichende Bestimmtheit von Satzungsbestimmungen zur Vermögensbindung
Leitsatz (redaktionell)
Die in § 61 Abs. 1 i.V.m. § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO gesetzlich vorgeschriebene Festschreibung der (künftigen) Vermögensverwendung hat wie § 60 Abs. 1 AO die Funktion eines Buchnachweises. Die hinreichende Bestimmtheit von Satzungsbestimmungen zur Vermögensbindung erfordert deshalb nach Maßgabe der Mustersatzung klare Angaben dazu, an welche konkrete Empfangskörperschaft (sog. Destinatär) das steuerbegünstigt angesammelte Vermögen später übergehen und/oder zur Verwirklichung welcher konkreten steuerbegünstigten Zwecke der (unbenannt bleibende) Destinatär das übergegangene Vermögen im Anschluss ausschließlich und unmittelbar einsetzen soll. Die Zwecke sind dabei jedenfalls, soweit ihnen kein jedermann bekanntes, begrifflich fest umrissenes gedankliches Konzept zugrunde liegt so weit wie möglich zu konkretisieren, wofür die allgemeine Wiedergabe der Gesetzesbegriffe gemeinnützig und mildtätig nicht genügt.
Normenkette
AO § 55 Abs. 1 Nr. 4
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die formelle Satzungsmäßigkeit des Gesellschaftsvertrages der Klägerin.
Die Klägerin wurde im Juni 2009 als Unternehmergesellschaft gegründet und im Dezember 2009 als solche in das Handelsregister eingetragen. Gesellschafter waren und sind neben einem regionalen Krankenhaus zwei ortsansässige Ärzte, ein Apotheker und eine als Geschäftsführerin der Klägerin in Teilzeit tätige Krankenschwester. Gegenstand des Unternehmens war und ist nach § 2 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages die Erbringung spezialisierter ambulanter medizinischer Dienstleistungen für Schwerstkranke und Sterbende sowie aller damit im Zusammenhang stehender Dienstleistungen. Im Jahr 2016 beschlossen die Gesellschafter der Klägerin mit Wirkung zum 1. Januar 2017 eine Aufstockung des Stammkapitals sowie – unter Beibehaltung des bisherigen Gesellschaftszwecks – die Umwandlung der Klägerin in eine gemeinnützige GmbH (gGmbH). Die Änderungen wurden im Oktober 2017 in das Handelsregister eingetragen.
Nach § 2 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages vom 13. Oktober 2016 soll der Gesellschaftszweck der Klägerin insbesondere durch die Unterhaltung und den Betrieb ambulanter, nachstationärer und stationärer Behandlungspflege und Krankenpflege mit ergänzenden Nebenbetrieben und flankierenden Diensten, beispielsweise einem Menüservice, Reinigungsdienst oder Begleitdienst verwirklicht werden. Dazu wäre das Unternehmen berechtigt, Tages- und Nachtpflegeeinrichtungen, stationäre Pflegeeinrichtungen sowie mobile Hilfsdienste zu errichten, zu unterhalten und zu betreiben.
Unter § 3 des Gesellschaftsvertrages heißt es unter der Überschrift „Steuerbegünstigte Zwecke” weiter:
„(1) Die Gesellschaft verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige und mildtätige Zwecke im Sinne des Abschnitts „Steuerbegünstigte Zwecke” der Abgabenordnung.
(2) Die Gesellschaft ist selbstlos tätig. Sie verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke.
(3) Mittel der Gesellschaft dürfen nur für die satzungsmäßigen Zwecke verwendet werden, die Gesellschafter dürfen keine Gewinnanteile und auch keine sonstigen Zuwendungen aus Mitteln der Körperschaft erhalten.
(4) Die Gesellschafter erhalten bei ihrem Ausscheiden oder bei Auflösung der Gesellschaft nicht mehr als ihre eingezahlten Kapitalanteile und den gemeinen Wert ihrer geleisteten Sacheinlagen zurück.
(5) Es darf keine Person durch Ausgaben, die dem Zweck der Gesellschaft fremd sind, oder durch unverhältnismäßig hohe Vergütungen begünstigt werden.”
Im Fall der Auflösung sieht der Gesellschaftsvertrag der Klägerin unter § 5 Abs. 2 folgende Regelung vor:
„(2) Bei Auflösung oder Aufhebung der Gesellschaft oder bei Wegfall steuerbegünstigter Zwecke fällt das Vermögen der Körperschaft soweit es die eingezahlten Kapitalanteile der Gesellschafter und den gemeinen Wert der von den Gesellschaftern geleisteten Sacheinlagen übersteigt, an eine juristische Person des öffentlichen Rechts [oder] an eine andere steuerbegünstigte Körperschaft die es unmittelbar und ausschließlich für gemeinnützige und mildtätige Zwecke zu verwenden hat.”
Trotz der beschlossenen Umwandlung in eine gGmbH gab die Klägerin bis 2018 Steuererklärungen und Gewinnermittlungen ab und wurde entsprechend zur Körperschaftsteuer veranlagt. Die Bescheide wurden bestandskräftig.
Am 15. Oktober 2019 beantragte die Klägerin unter Vorlage ihres Gesellschaftsvertrages (Stand 10/2016) erstmals die Anerkennung als gemeinnützig, was der Beklagte jedoch mit ablehnendem Feststellungsbescheid vom 6. November 2019 versagte. Der Gesellschaftsvertrag entspreche nicht den inhaltlichen Anforderungen der Mustersatzung (vgl. Anl. 1 zu § 60 Abgabenordnung -AO-) und erfülle deshalb nicht die satzungsmäßigen Voraussetzungen der §§ 51, 59, 60 und 61 AO. Weder der angegebene Unternehmens-/Satzungszweck (§ 2) noch die geregelte Vermögen...