Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer 1994
Nachgehend
Tenor
Unter Aufhebung des Einspruchsbescheides vom 15.11.1995 und Änderung des Einkommensteuerbescheides 1994 vom 26.07.1995 wird die Einkommensteuer von 16.446 DM auf 16.228 DM herabgesetzt.
Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird Vollstreckungsnachlaß gegen Sicherheitsleistung gewährt.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert beträgt 218 DM.
Tatbestand
Streitig ist, ob Aufwendungen der Kläger für eine künstliche Befruchtung der Klägerin als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG steuermindernd zu berücksichtigen sind.
Streitjahr ist das Jahr 1994. Die Kläger werden gemäß §§ 26, 26 b EStG gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt.
Im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr beantragten sie, die ihnen durch eine künstliche Befruchtung entstandenen Aufwendungen in Höhe von 6.825 DM als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Der Beklagte (das Finanzamt –FR–) erkannte die streitigen Aufwendungen nicht an und verwies darauf, daß sie dem Grunde nach nicht zwangsläufig im Sinne des § 33 EStG seien. Hiergegen legten die Kläger Einspruch ein, den das FR mit Bescheid vom 15.11.1995 als unbegründet zurückwies. In der Einspruchsentscheidung hat das FR darauf verwiesen, daß die Unfruchtbarkeit eines Menschen zwar als „Krankheit” anzusehen sei, andererseits jedoch die hier streitigen Aufwendungen nicht der Heilbehandlung dieser Krankheit dienten. Die streitigen Aufwendungen hätten vielmehr der künstlichen Befruchtung der Klägerin und nicht der Behandlung der Unfruchtbarkeit gedient.
Gegen diese Entscheidung haben die Kläger Klage erhoben. Mit ihrer Klage vertreten sie weiterhin die Ruffassung, daß die geltend gemachten Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG anzuerkennen seien. Durch die künstliche Befruchtung habe man beabsichtigt, die gerade durch die Unfruchtbarkeit bestehende Unmöglichkeit, auf normalem Wege ein Kind zu bekommen, auszuschalten. Demgemäß sei diese von den Klägern durchgeführte Behandlungsmethode (sog. „Invitro-Fertilisation”) eine Maßnahme zur Heilbehandlung der Klägerin gewesen. Sterilität als Krankheit sei als Zustand der Unfruchtbarkeit definiert. Sollte es nun aufgrund einer Invitro-Fertilisation zu einer Schwangerschaft kommen, sei das Krankheitsbild nicht mehr gegeben, mithin sei darin eine Heilbehandlung im wahrsten Sinne des Wortes zu sehen.
Die Kläger beantragen,
die mit Bescheid vom 26.07.1995 festgesetzte Einkommensteuer 1994 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 15.11.1995 neu festzusetzen und hierbei die von den Klägern gemachten Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung in Höhe von 6.825 DM als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.
Das FR beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Aufwendungen für die künstliche Befruchtung der Klägerin könnten nicht als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 Abs. 1 EStG berücksichtigt werden, weil sie dem Grunde nach nicht zwangsläufig seien. Zwar handele es sich bei der organisch bedingten Unfruchtbarkeit der Klägerin um eine Krankheit. Die bei der Klägerin vorgenommene Invitro-Fertilisation habe diese Sterilität der Klägerin jedoch nicht behoben. Sie könne nicht als Heilbehandlung angesehen werden. Es habe im übrigen auch keine sittliche Verpflichtung der Kläger bestanden, ein Kind zu bekommen; die gesellschaftliche Kritik an kinderlosen Ehepaaren bestehe vielmehr darin, daß sie zur Sicherung des Generationenvertrages höhere Beiträge für ihre Zukunftssicherung leisten müßten, und nicht darin, daß solche Ehepaare unbedingt eigene Kinder haben müßten.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen im Einspruchs- und Klageverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Die von den Klägern geltend gemachten Aufwendungen für die künstliche Befruchtung der Klägerin in Höhe von 6.825 DM stellen eine außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 Abs. 1 EStG dar. Nach dieser Vorschrift wird auf Antrag die Einkommensteuer dann ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse. und gleichen Familienstandes erwachsen. Nach § 33 Abs. 2 EStG ist der Begriff der Zwangsläufigkeit dahin definiert, daß der Steuerpflichtige sich den Aufwendungen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Das Gericht ist im Streitfall zu der Überzeugung gelangt, daß die streitigen Aufwendungen den Klägern zwangsläufig im Sinne des § 33 EStG entstanden sind. Dabei geht das Gericht mit der zutreffenden Rechtsprechung des BFH davon aus, daß bei der Behandlung von Krankheiten stets zu unterstellen ist, daß die Kosten zwangsläufig sind (vgl. dazu z.B. BFH-Urteil vom 17.07.1981, VI R 77/7...