Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Verpflichtung zur nachträglichen Beifügung eines Vorbehalts der Nachprüfung bei einem Schätzungsbescheid
Leitsatz (redaktionell)
- Kommt der Stpfl. seiner Erklärungspflicht nicht oder nicht rechtzeitig nach, muss die Finanzbehörden die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 AO schätzen.
- Die Entscheidung, die Steuer nicht endgültig sondern unter Vorbehalt der Nachprüfung festzusetzen, steht im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörde; sie braucht nicht begründet zu werden.
- Eine Verpflichtung zur Aufnahme des Nachprüfungsvorbehalts in allen Schätzungsfällen ist weder aus dem Gesetz noch aus dem Anwendungserlass der AO abzuleiten.
Normenkette
AO §§ 162, 164 Abs. 1 S. 1
Streitjahr(e)
2007
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung des Beklagten, den bestandskräftigen Schätzungsbescheid unter den Vorbehalt der Nachprüfung zu stellen.
Die Klägerin gab ihre Einkommensteuererklärung 2007 nicht fristgerecht ab. Deshalb schätzte der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 AO mit Bescheid vom 10.10.2008. Bei der Schätzung legte der Beklagte einen Gewinn als Konzertviolinistin in Höhe von 10.000 €, einen Arbeitslohn von 34.964 € und Sonderausgaben in Höhe von 2.475 € zugrunde. Der Bescheid erging nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Gegen den Einkommensteuerbescheid 2007 legte die Klägerin am 22.12.2008 Einspruch ein und reichte zugleich die Einkommensteuererklärung 2007 nach. Darin erklärte sie neben einem Verlust als Konzertviolinistin in Höhe von 1.706 € Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit in Höhe von 34.964 € und Einnahmen aus Kapitalvermögen in Höhe von 1.571 €. Der Beklagte wies die Klägerin auf die verspätete Einspruchserhebung hin und forderte sie auf, Wiedereinsetzungsgründe darzulegen. Aufgrund der vorgelegten Einkommensteuererklärung änderte der Beklagte den Einkommensteuerbescheid vom 10.10.2008 mit Bescheid vom 19.01.2009 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO und setzte die Einkommensteuer auf 10.074 € herauf. Den Einspruch verwarf der Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom 27.02.2009. Wiedereinsetzungsgründe wurden nicht dargelegt.
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Beifügung eines Vorbehalts der Nachprüfung in den Einkommensteuerbescheid 2007. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, sie sei als Konzertviolinistin in steuerlichen Angelegenheiten völlig unerfahren. Den Steuerbescheid habe sie versehentlich nicht als solchen wahrgenommen. Erst durch eine Mahnung des Finanzamtes sei sie auf die Steuernachzahlung aufmerksam geworden.
Gegen den Schätzungsbescheid habe sie Einspruch eingelegt, der damit begründet worden sei, dass Schätzungsbescheide regelmäßig unter dem Vorbehalt der Nachprüfung zu erlassen seien. Dies ergebe sich aus diversen Verwaltungsanweisungen und Finanzgerichtsurteilen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 05.06.2009 (Bl. 24 FGA) verwiesen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Einkommensteuerbescheid 2007 vom 02.04.2009 einschließlich der vorhergehenden Bescheide aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Einkommensteuerbescheid 2007 einen Vorbehalt der Nachprüfung beizufügen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte verweist auf seine Ausführungen im Einspruchsverfahren. Ergänzend trägt er vor, dass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht möglich sei, weil die Klägerin aus dem Inhalt des Einkommensteuerbescheids hätte erkennen können, dass dieser nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen sei. Die Klägerin sei auch nicht steuerlich unerfahren. Sie erhalte seit 2001 Einkommensteuerbescheide. Dabei sei der Schätzungsbescheid für 2005 vom damals zuständigen Finanzamt ebenfalls nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassen worden.
Mit Bescheid vom 02.04.2009 setzte der Beklagte die Steuer wiederum auf 9.787 € herab. Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet und einer Entscheidung durch den Berichterstatter zugestimmt.
Entscheidungsgründe
I. Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Änderung des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2007. Der Einkommensteuerbescheid vom 10.10.2008 ist bestandskräftig und kann nicht mehr geändert werden. Der Bescheid vom 02.04.2009 unterliegt der Änderungsbeschränkung des § 42 FGO i. V. m. § 351 Abs. 1 AO.
1. Der Einkommensteuerbescheid vom 10.10.2008 ist mit Ablauf der Einspruchsfrist am 13.11.2008 (§ 355 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 108 Abs. 1 und Abs. 3 AO, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB) bestandskräftig geworden. Der von der Klägerin im Dezember eingelegte Einspruch war verspätet und konnte den Eintritt der Bestandskraft nicht mehr verhindern.
2. Die Änderung des bestandskräftigen Einkommensteuerbescheides kommt nicht in Betracht. Die Prinzipien des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit verbieten Durchbrechungen der Bestandskraft und verlangen einen rechtsbeständigen Abschluss des ...