Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer 1987
Leitsatz (redaktionell)
Berücksichtigung von Rechtsfehlern im Rahmen der Änderung eines Steuerbescheides gemäß § 165 Abs. 2 AO.
Nachgehend
Tenor
Unter Abänderung des Einkommensteuerbescheides 1987 vom 29.08.1994 in der Fassung des Einspruchsbescheides vom 06.03.1995 wird die Einkommensteuer auf 74.796 DM herabgesetzt.
Der Beklagte trägt die Kosten.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs abzuwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leisten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob im Rahmen der Änderung eines Steuerbescheides gemäß § 165 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) Rechtsfehler innerhalb des Berichtigungsrahmens zugunsten der Kläger berücksichtigt werden können.
Die Kläger sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr haben sie u.a. gewerbliche Einkünfte der Klägerin aus einem Handel mit Antiquitäten in Höhe von minus 11.507 DM angegeben. Angaben zu Kindern fehlten.
Das Finanzamt hat zunächst mit Steuerbescheid vom 10.05.1989, der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erging, den Verlust berücksichtigt. Mit Änderungsbescheid vom 18.10.1989 hob es den Vorbehalt der Nachprüfung auf und erklärte die Veranlagung, soweit sie die gewerbliche Tätigkeit der Klägerin betraf, gemäß § 165 Abs. 1 AO für vorläufig. Der Bescheid, in dem die Einkommensteuer auf 74.743 DM festgesetzt worden ist, wurde bestandskräftig.
Ein mit Schriftsatz vom 21.01.1990 gestellter Antrag auf Änderung des Steuerbescheides gemäß § 173 AO dergestalt, daß zwei Kinderfreibeträge und zwei Ausbildungsfreibeträge für die Kinder C. (geb. 10.01.1962) und K. (geb. 30.07.1963) sowie 400 DM als außergewöhnliche Belastungen für DDR-Pakete berücksichtigt werden, blieb erfolglos.
Im gemäß § 165 Abs. 2 Satz 1 geänderten Einkommensteuerbescheid vom 29.08.1994 ließ das Finanzamt die Verluste aus Gewerbebetrieb außer Ansatz und setzte die Einkommensteuer erhöht auf 78.287 DM fest. Mit der hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage machen die Kläger geltend, im Rahmen der Änderung des Steuerbescheides nach § 165 Abs. 2 AO seien gemäß § 177 AO auch materielle Fehler zu berücksichtigen, die nicht Anlaß der Änderung gewesen seien. Deshalb seien die Kinderfreibeträge, Ausbildungsfreibeträge und außergewöhnlichen Belastungen anzusetzen.
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid 1987 abzuändern und die Einkommensteuer auf 74.796 DM herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Änderung des Einkommensteuerbescheides 1987 habe nach Ablauf der Festsetzungsfrist am 31.12.1993 hinsichtlich der Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 165 Abs. 2 AO erfolgen können, da insofern für die jeweils entfallende Einkommensteuer die Festsetzungsfrist gemäß § 171 Abs. 8 AO noch nicht abgelaufen gewesen sei. Bei einer Änderung nach § 165 Abs. 2 AO könne eine Berichtigung von materiellen Fehlern wegen der im übrigen eingetretenen Bestandskraft nicht erfolgen. § 177 AO gelte nur für Fälle, in denen die Aufhebung und Änderung von Steuerbescheiden innerhalb der Festsetzungsfrist im Rahmen der §§ 172 ff. AO möglich sei. Selbst wenn man dieser Auffassung nicht folgte, sei eine Änderung nicht möglich. Der Umfang der eingetretenen Ablaufhemmung durch Einspruchseinlegung gemäß § 171 Abs. 3 Satz 2 AO bestimme sich nach dem Umfang des Rechtsbehelfsantrags. Erstmalig mit der Klage werde geltend gemacht, daß Kinderfreibeträge, Ausbildungsfreibeträge und außergewöhnliche Belastungen steuermindernd angesetzt werden sollen. Im Umfang des Klageantrags sei Festsetzungsverjährung eingetreten.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Im Rahmen der Änderung des Einkommensteuerbescheides nach § 165 Abs. 2 AO sind die bisher außer Ansatz gelassenen Kinderfreibeträge, Ausbildungsfreibeträge und außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.
1. Die Berücksichtigung der steuermindernden Tatsachen kann nicht – wie die Kläger meinen – auf § 177 Abs. 1 AO gestützt werden. Denn § 177 Abs. 1 und Abs. 2 gilt nicht für die Änderung eines Steuerbescheides nach § 165 Abs. 2 AO (vgl. Tipke/Kruse, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung § 165 AO Rdz. 11 a). Gemäß § 177 Abs. 3 AO bleibt § 165 Abs. 2 jedoch unberührt. Abs. 3 des § 177 AO stellt damit klar, daß die Berücksichtigung von Rechtsfehlern auch ohne die Voraussetzungen der Abs. 1 und 2 zulässig ist, soweit Änderungen oder Aufhebungen durch eine allgemeine Durchbrechung der Bestandskraft, wie durch eine vorläufige Festsetzung gemäß § 165 Abs. 1 AO, offengehalten sind (vgl. BFH-Urteil vom 12. Juli 1991 III R 23/88, BFH/NV 1992, 172, 174). Wird ein Steuerbescheid, in dem die Steuer zum Teil gemäß § 165 Abs. 1 AO festgesetzt worden ist, gemäß ...