vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitlicher Anwendungsbereich des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG in der Fassung des JStG 2007
Leitsatz (redaktionell)
- Zu den Voraussetzungen einer Pflichtveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG n.F.
- Die im Rahmen des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG a.F. maßgebende Summe der einkommensteuerpflichtigen Einkünfte, die nicht dem Steuerabzug vom Arbeitslohn zu unterwerfen war, kann sowohl positiv als auch negativ sein.
- Die Anwendung des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG n.F. auf die vor 2006 liegenden Streitzeiträume beinhaltet keine verfassungswidrige Rückbewirkung von Rechtsfolgen.
Normenkette
EStG § 46 Abs. 2
Streitjahr(e)
2002, 2003
Tatbestand
Strittig ist, ob der Kläger für die Veranlagungszeiträume 2002 und 2003, in denen er im Wesentlichen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielte, zur Einkommensteuer zu veranlagen ist. In keinem der Jahre bezog der Kläger Einkünfte und Leistungen, die dem Progressionsvorbehalt unterlagen.
Der Kläger stellte durch Abgabe der Einkommensteuererklärung 2002 am 30.12.2005 einen Antrag auf Veranlagung zur Einkommensteuer 2002.
Diesen lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 18.01.2006 ab, da die zweijährige Antragsfrist des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG a.F. nicht eingehalten worden war.
Am 06.02.2006 erging gegen den Kläger ein Feststellungsbescheid, wonach ihm Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung im Jahr 2002 in Höhe von EUR ./. 3.638,00 zugerechnet wurden.
Durch Abgabe der Einkommensteuererklärung 2003 am 23.03.2006 stellte der Kläger einen Antrag auf Veranlagung zur Einkommensteuer 2003. Hierbei erklärte der Kläger auch Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von EUR 449,10.
Am 13.06.2006 erging gegen den Kläger ein Feststellungsbescheid, wonach ihm Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung im Jahr 2003 in Höhe von EUR ./. 3.989,00 zugerechnet wurden.
Eine Veranlagung des Klägers für das Jahr 2003 wurde von dem Beklagten durch Bescheid vom 31.07.2006 abgelehnt, da weder die Voraussetzungen des § 46 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 vorlägen, noch die zweijährige Antragsfrist des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG a.F. eingehalten worden sei.
Gegen die Bescheide vom 18.01.2006 und vom 31.07.2006 legte der Kläger am 05.10.2006 Einspruch ein, der von dem Beklagten durch Einspruchsbescheid vom 20.02.2007 als unzulässig verworfen wurde.
Durch Schreiben vom 14.12.2007 stellte der Kläger bei dem Beklagten erneut einen Antrag auf Veranlagung zur Einkommensteuer 2002 und zur Einkommensteuer 2003. Die Einkommensteuererklärungen reichte er am 22.01.2008 bei dem Beklagten ein, wobei er außer den oben genannten Einkünften keine weiteren erklärte.
Die erneuten Anträge auf Veranlagung lehnte der Beklagte durch Bescheide vom 18.08.2008 ab.
Gegen diese Bescheide legte der Kläger am 17.09.2008 Einspruch ein, der von dem Beklagten durch Einspruchsbescheide per einfachen Brief vom 10.11.2008 als unbegründet zurückgewiesen wurde.
Durch seine bei Gericht am 12.12.2008 eingegangenen Klagen begehrt der Kläger weiterhin seine Veranlagung zur Einkommensteuer 2002 und zur Einkommensteuer 2003.
Der Kläger ist der Auffassung, dass infolge der Grundlagenbescheide die Änderungsnorm des § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO vorläge und danach eine Veranlagung durchzuführen sei.
Auch ist er der Auffassung, dass sich sein Anspruch auf Veranlagung aus der Neufassung des § 46 Abs. 2 Nr. 8 i.V.m. § 52 Abs. 55j S. 2 EStG ergebe. Eine Veranlagung nach den genannten Normen sei möglich, wenn über „einen” Antrag auf Veranlagung zur Einkommensteuer am 28.12.2007 noch nicht bestandskräftig entschieden worden sei. Die Formulierung „einen” Antrag anstelle der Formulierung „den” Antrag zeige, dass der Gesetzgeber nicht von einem einmaligen Antrag ausgegangen sei, dass vielmehr mehrfache Beantragungen der Veranlagung möglich seien.
Der Kläger beantragt,
das beklagte Finanzamt zu verpflichten, unter Aufhebung der Ablehnungsbescheide vom 18. August 2008 sowie der hierzu ergangenen Einspruchsbescheide vom 10. November 2008 den Kläger für die Veranlagungszeiträume 2002 und 2003 entsprechend der eingereichten Steuererklärungen zur Einkommensteuer zu veranlagen.
Der Beklagte beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, dass eine erneute Antragstellung nicht nach der Regelung des § 52 Abs. 55j S. 2 EStG erfolgreich sein könne, wenn zuvor wegen Ablaufs der bisherigen Zweijahresfrist des § 46 Abs. 2 Nr. 8 a.F. EStG ein Antrag auf Veranlagung bestandskräftig abgelehnt worden sei.
Der erneute Antrag könne die eingetretene Bestandskraft des Ablehnungsbescheides nicht gemäß §§ 172ff AO durchbrechen.
Am 06.07.2010 wurde mit den Beteiligten in öffentlicher Sitzung verhandelt. Hierbei wurden durch Beschluss die Verfahren Az. 12 K 478/08 (Einkommensteuer 2002) und Az. 12 K 479/08 (Einkommensteuer 2003) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Nach Verzicht der Beteiligten auf mündliche Verhandlung und Vertagung der Sitzung hat das Gericht am 28.09.2010 ohne mündliche Verhandlung entschiede...