vorläufig nicht rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Hinzuschätzungen auf Grund einer Betriebsprüfung – Schätzungsbefugnis des FA gemäß § 162 AO
Leitsatz (redaktionell)
- Zur Schätzungsbefugnis des FA gemäß § 162 AO.
- Geschätzte Ergebnisse müssen insgesamt schlüssig, wirtschaftlich und vernünftig sein.
- Zu den Voraussetzungen von sog. Unsicherheitszuschlägen.
- Zu der Frage, wann Aufwendungen für den Erwerb von Sicherheiten als BA anzuerkennen oder als Privatentnahme zu werten sind.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1 und Abs. 4, § 5 Abs. 1; AO § 162
Streitjahr(e)
2002, 2003, 2004
Tatbestand
Streitig sind Hinzuschätzungen auf Grund einer Betriebsprüfung.
Die Klägerin betreibt als Einzelunternehmerin einen Antiquitätenhandel. Die Umsatzerlöse erzielte sie überwiegend durch Versteigerung von Kunstgegenständen (Porzellan, Gemälde, Puppen, Uhren, u.a.) im Internet. Den Gewinn ermittelte sie in den Streitjahren durch Bestandsvergleich. In der Zeit vom 13. Juni 2005 bis 27. Januar 2006 fand bei der Klägerin eine Betriebsprüfung für die Jahre 2002 bis 2004 statt. Im Rahmen der Betriebsprüfung wurde Kontrollmaterial über die von der Klägerin in der Zeit vom 1. Januar 2002 bis 30. September 2003 bei dem Internetauktionshaus Ebay erzielten Umsätze mit den erklärten Umsätzen verglichen. Daraus ergab sich, dass die Umsätze bei Ebay vom 1. Januar bis 31. Dezember 2002 um 81.753 € und vom 1. Januar bis 30. September 2003 um 37.433 € über den jeweils erklärten Umsätzen lagen.
Vergleich der Umsätze |
1. Jan. bis 31. Dez. 2002 |
1. Jan. - 30. Sept. 2003 |
Umsätze lt. KM (brutto, ohne Versandkosten) |
630.258 € |
304.191 € |
Umsätze lt. G.u.V. (brutto) |
557.056 € |
277.811 € |
Ausgangsfrachten (brutto) |
- 18.716 € |
- 11.053 € |
Rückabwicklungen (brutto) |
10.135 € |
|
Zwischensumme |
548.475 € |
266.758 € |
Differenz |
81.753 € |
37.433 € |
Die Klägerin begründete die Differenzen in den Jahren 2002 und 2003 während der Betriebsprüfung damit, dass teilweise Umsätze mangels Zahlung durch die Käufer gegenüber der Verkaufsabwicklung bei Ebay tatsächlich nicht ausgeführt worden seien (geplatzte Umsätze). Außerdem seien in den Umsätzen laut Ebay Scheinumsätze enthalten. Eine Gruppe befreundeter Händler unterstütze sich gegenseitig bei Umsätzen und Geboten, um die Verkaufspreise auf einem Mindestniveau zu halten. Blieben diese Höchstbietende käme es tatsächlich nicht zu Umsätzen. Da die Klägerin trotz Aufforderung durch die Betriebsprüfung keine Angaben zum Umfang der „geplatzten Umsätze” und der Scheinumsätze machte, nahm die Betriebsprüfung Hinzuschätzlungen der Umsätze (2002: 18.000 €, 2003: 15.000 €, 2004: 13.000 €) vor (BP-Bericht vom 30.01.2006, Tz. 10). Weitere Umsatz- und Erlöshinzuschätzungen nahm die Betriebsprüfung wegen der Herkunft nach ungeklärten Einlagebuchungen (2003: 8.620 € und 2004: 4.593 €) vor (BP-Bericht, Tz. 11). Da keine Inventurlisten vorgelegt wurden, erhöhte die Betriebsprüfung den Warenbestand zum 31.12.2004 um 5.000 € (BP-Bericht, Tz. 12). Außerdem wurden Aufwendungen für den Erwerb von Zigaretten nicht als Betriebsausgaben anerkannt, sondern als Privatentnahmen (2002: 2.024,71 €, 2003: 3.118,97 € und 2004: 2.103,44 €) behandelt (BP-Bericht, Tz. 13). Darüber hinaus wurden geltend gemachte Schuldzinsen wegen Überentnahmen gemäß § 4 Abs. 4 a EStG (für 2003 um 1.629,27 € und für 2004 um 506,77 €) gekürzt (Anlage 1 zum BP-Bericht). Wegen der Einzelheiten und der weiteren Feststellungen wird auf den Betriebsprüfungsbericht vom 30. Januar 2006 verwiesen.
Aufgrund der Feststellungen der Betriebsprüfung erließ das Finanzamt am 13. Juli 2006 geänderte Bescheide und setzte die Einkommensteuer für 2002 auf 17.457,00 €, für 2003 auf … € und für 2004 auf … €, die Umsatzsteuer für 2002 auf … €, für 2003 auf … € und für 2004 auf … € und den Gewerbesteuermessbetrag für 2002 auf … €, für 2003 auf … € und für 2004 auf … € fest. Hiergegen legte die Klägerin am 15. August 2006 Einspruch ein und warf dem Finanzamt Willkür vor. Eine weitere Begründung der Einsprüche erfolgte nicht. Im Einspruchsverfahren hielt die Betriebsprüfung für das Jahr 2002 an den Prüfungsfeststellungen zu Textziffer 21 des BP-Berichts nicht mehr fest und war bereit weitere Vorsteuern in Höhe von 5.160,74 € anzuerkennen. Mit Einspruchsbescheid vom 3. Dezember 2007 setzte das Finanzamt daraufhin die Umsatzsteuer 2002 von … € auf … €, die Einkommensteuer 2002 von … € auf … € sowie den Gewerbesteuermessbetrag 2002 von … € auf … € fest und wies die Einsprüche im Übrigen als unbegründet zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 3. Januar 2008 Klage erhoben. Zur Begründung führt sie aus, das Finanzamt habe keine Schätzungsbefugnis, da die Buchführung ordnungsgemäß sei. Der Grund dafür, dass in den von Ebay angeforderten Verkaufsprotokollen eine höhere Anzahl an Verkaufsvorgängen protokolliert sei als in der Buchführung der Klägerin, sei die Abgabe sogenannter „Eigengebote” zur Mindestpreissicherung. Die Klägerin habe ihre Artikel in die Auktion bei Ebay in der Regel nur mit 1,00 € eingestellt, weil das Aukti...