vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [VI R 32/12)]
Entscheidungsstichwort (Thema)
Veranlagung von Amts wegen
Leitsatz (redaktionell)
- Eine Veranlagung von Amts wegen ist auch dann durchzuführen, wenn die negative Summe der Nebeneinkünfte den Betrag von 410 € übersteigt.
- Die durch JStG 2007 eingeführte Neuregelung des § 52 Abs. 55 JStG regelt zwar die Anwendung des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG i.d.F. des JStG 2007 auch auf VZ vor 2006. Erfasst werden sollen aber nur Veranlagungsjahre, bei denen durch die Neufassung des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG nicht nachträglich die Möglichkeit zur Abgabe einer ESt-Erklärung entfällt.
- Betragen neben Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit die Überschüsse der WK über die Mieteinnahmen mehr als 410 €, ist daher für die Jahre 2002 bis 2004 innerhalb der Festsetzungsfrist eine Amtsveranlagung durchzuführen.
Normenkette
EStG § 46 Abs. 2 Nr. 1
Streitjahr(e)
2002, 2004
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob noch Einkommensteuerveranlagungen durchzuführen sind.
Der Kläger erzielt als Lebensmitteltechniker Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Daneben erzielte er nach den Angaben in seinen Einkommensteuererklärungen, die am 28.12.2009 beim Finanzamt eingingen, Überschüsse der Werbungskosten über die Mieteinnahmen aus der langfristigen Vermietung der Doppelhaushälfte in S. 2002 in Höhe von 2.833 €, 2003 in Höhe von 2.348 € und 2004 in Höhe von 2.030 €. Mit Bescheiden vom … lehnte der Beklagte die Durchführung von Einkommensteuerveranlagungen ab, weil seiner Auffassung nach für die Streitjahre bereits Festsetzungsverjährung eingetreten war.
Der Kläger legte unter Hinweis auf das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 25.4.2007 2 K 379/04 Einspruch ein. Er vertrat die Auffassung, dass Festsetzungsverjährung für das Jahr 2002 erst mit Ablauf des Jahres 2009 eingetreten wäre.
Mit Einspruchsbescheid vom … wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Der Beklagte legte dar, dass durch das Jahressteuergesetz 2007 § 46 Abs. 2 Nr.1 EStG zur Klarstellung dahingehend geändert worden sei, dass eine Pflichtveranlagung nur dann durchzuführen sei, wenn die Summe der nicht dem Steuerabzug unterliegenden Einkünfte positiv sei. Diese Änderung sei nach § 52 Abs. 55 j EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes auch für Veranlagungszeiträume vor 2006 anzuwenden.
Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage. Der Kläger wiederholt im Wesentlichen das Vorbringen des Vorverfahrens. Er ist der Auffassung, dass er nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteil vom 21.9.2006 VI R 52/04, BStBl II 2007,45) einen verfestigten Anspruch dahingehend gehabt habe, dass eine Amtsveranlagung durchgeführt werde. Dieser Anspruch sei ihm, wie das Niedersächsische Finanzgericht mit Urteil vom 25.4.2007 2 K 379/04 (EFG 2007,1878) entschieden habe, auch nicht durch die Änderung des § 46 Abs. 2 Nr.1 EStG durch das Jahressteuergesetz 2007 und die Anwendungsregelung des § 52 Abs. 55 j EStG entzogen worden.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verpflichten, Einkommensteuerveranlagungen unter Berücksichtigung der eingereichten Einkommensteuererklärungen durchzuführen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hält an dem Vorbringen des Vorverfahrens fest.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Gerichts- und Steuerakten.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Das Finanzamt ist verpflichtet, gemäß § 46 Abs. 2 Nr.1 EStG in der in den Streitjahren gültigen Fassung den Kläger unter Berücksichtigung der vorgelegten Einkommensteuererklärungen zur Einkommensteuer zu veranlagen, denn die Einkünfte des Klägers, die nicht dem Steuerabzug vom Arbeitslohn zu unterwerfen waren, betrugen jeweils mehr als 410 €. Daher sind die Veranlagungen von Amts wegen durchzuführen.
Mit Urteilen vom 21.9.2006 VI R 52/04 (BStBl II 2007/45) vom 29.11.2006 VI R 14/06 (BStBl II 2007,149) hat der BFH entschieden, dass eine Veranlagung von Amts wegen auch dann durchzuführen ist, wenn die negative Summe der Nebeneinkünfte den Betrag von 410 € übersteigt (vgl. auch BFH-Urteil vom 15.1.2009 VI R 23/08, BFH/NV 2009,755). Danach hat der Kläger im vorliegenden Fall einen Anspruch auf Abgabe der Einkommensteuererklärungen innerhalb der Festsetzungsfrist und Durchführung der Amtsveranlagungen erworben, denn seine negativen Nebeneinkünfte aus der langjährigen und damit zu berücksichtigenden Vermietung der Doppelhaushälfte betrugen jährlich mehr als 2.000 €. Dieser Anspruch ist nämlich bereits mit Ablauf der jeweiligen Kalenderjahre und nicht erst mit Abgabe der Einkommensteuererklärungen entstanden und nicht durch Festsetzungsverjährung erloschen.
Die Rechtslage ist - wie das Niedersächsische Finanzgericht mit Urteil vom 25.4.2007 2 K 379/04 (EFG 2007,1878) überzeugend dargelegt hat, für die Streitjahre...