Leitsatz
Im Jahr 2001 zur Finanzierung der Aufstockung einer GmbH-Beteiligung geleistete Schuldzinsen sind auch dann in vollem Umfang als Werbungskosten bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen abziehbar, wenn die GmbH im Jahr 2001 keine offenen Gewinnausschüttungen vorgenommen hat. Das Halbabzugsverbot des § 3c Abs. 2 EStG gilt insoweit nicht.
Normenkette
§ 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG
Sachverhalt
Die Kläger wurden im Streitjahr 2001 als Eheleute zusammen zur ESt veranlagt. Sie machten für 2001 Finanzierungskosten von 39.015 DM für zwei im Mai 2001 aufgenommene Darlehen über 200.000 und 300.000 DM für die Finanzierung des Erwerbs eines zusätzlichen Anteils an einer bereits bestehenden GmbH als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus Kapitalvermögen geltend. Die GmbH nahm im Jahr 2001 keine offenen Gewinnausschüttungen vor. Das FA ließ die Aufwendungen unter Hinweis auf § 3c Abs. 2 EStG nur hälftig beim Werbungskostenabzug zu. Der BFH hob das die Klage abweisende Urteil des FG (EFG 2006, 572) auf und gab der Klage statt.
Entscheidung
§ 3c Abs. 2 EStG sei auf die dem Kläger im Streitjahr entstandenen Schuldzinsen nicht anwendbar. Nach den Anwendungsregelungen gelte das HEV gem. § 3 Nr. 40 EStG erstmals für offene Ausschüttungen, die dem Gesellschafter im Jahr 2002 zuflössen. Dementsprechend bestehe auch ein die Anwendung des § 3c Abs. 2 EStG eröffnender wirtschaftlicher Zusammenhang i.S.d. § 52 Abs. 8a EStG mit solchen Gewinnausschüttungen auch erst für Ausgaben, die der Gesellschafter im Jahr 2002 geleistet habe. Für Ausgaben, die schon im Jahr 2001 geleistet worden seien, bestehe hingegen ein solcher Zusammenhang grundsätzlich nicht. Die Voraussetzungen für die die Anwendung des HAV bereits im VZ 2001 in zeitlicher Hinsicht gebietenden Ausnahmen lägen im Streitfall nicht vor.
Hinweis
1. Die Fassungen der Regelungen in § 3c Abs. 2 und § 52 Abs. 8a EStG, die durch das StSenkG 2001/2002 vom 23.10.2000, BGBl I 2000, 1433, im Rahmen der Unternehmenssteuerreform und des damit verbundenen Systemwechsels vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren (HEV) eingefügt worden sind, sind inhaltlich nicht deckungsgleich.
2. Nach § 3c Abs. 2 EStG unterliegen Aufwendungen dem Halbabzugsverbot (HAV), unabhängig davon, in welchem Veranlagungszeitraum diese anfallen. Der wirtschaftliche Zusammenhang zwischen Aufwendungen und Einnahmen ist deshalb periodenübergreifend zu verstehen. Damit wollte der Gesetzgeber verhindern, dass die zu § 3c Abs. 1 EStG ergangene Rechtsprechung und die dadurch eröffneten Gestaltungsmöglichkeiten im Geltungsbereich des HEV ebenfalls zum Zuge kommt.
3. Demgegenüber spricht die den zeitlichen Anwendungsbereich des HAV regelnde Vorschrift in § 52 Abs. 8a EStG lediglich von "wirtschaftlichem Zusammenhang", ohne einen überperiodischen Bezug.
4. Der BFH gelangt im Weg einer einschränkenden Auslegung dieser Vorschrift, vom Wortlaut, seinem Zweck sowie der systematischen Funktion als bloßer Anwendungsregelung zu dem Ergebnis, dass im VZ 2001 geleistete Aufwendungen, sofern eine Kapitalgesellschaft im gleichen Jahr noch keine offene Gewinnausschüttung vorgenommen hat, noch in voller Höhe als Werbungskosten abziehbar sind, d.h. insoweit das HAV noch nicht anwendbar ist.
5. Die Anwendungsregelungen in § 52 EStG enthalten intertemporales Steuerrecht und grundsätzlich keine Regelungen des sachlichen Rechts. Sie besagen somit nichts darüber, wie die Besteuerung inhaltlich ausgestaltet sein soll. Vielmehr beschränken sie sich darauf, Regeln für die Rechtsanwendung bereitzustellen, welche die Kollision verschiedener Normen nach zeitlichen Gesichtspunkten auflösen.
6. Bezwecken sie indes, für den Abzug von Aufwendungen eine trennscharfe und praktisch handhabbare Grenzlinie zwischen Anrechnungs- und Halbeinkünfteverfahren zu ziehen, müssen im VZ 2001 geleistete Aufwendungen eindeutig entweder dem alten oder dem neuen Recht zuzuordnen sein.
7. Der BFH zeigt anhand von Beispielen auf, dass sich dieser Zweck bei einem überperiodischen Verständnis des Merkmals "wirtschaftlicher Zusammenhang" auch in § 52 Abs. 8a EStG nicht durchweg rechtssicher verwirklichen ließe.
8. Die vom BFH als geboten erachtete einschränkende Auslegung des § 52 Abs. 8a EStG führt somit dazu, dass ein die Anwendung des § 3c Abs. 2 EStG eröffnender wirtschaftlicher Zusammenhang von Aufwendungen mit vom – grundsätzlich erst ab dem VZ 2002 anwendbaren – HEV erfassten offenen Gewinnausschüttungen erst dann gegeben ist, wenn der Gesellschafter die Aufwendungen im Jahr 2002 geleistet hat.
9. Der BFH stellt im Gegensatz dazu auch die notwendigen Ausnahmen dar:
Danach gilt das HAV bereits für im Jahr 2001 geleistete Aufwendungen, wenn ein wirtschaftlicher Zusammenhang der Aufwendungen mit vom Anrechnungsverfahren erfassten – potenziellen – Einnahmen von vornherein ausgeschlossen ist. Diese Ausnahmen erfassen somit andere Ausschüttungen, insbesondere verdeckte Gewinnausschüttungen und Vorabausschüttungen sowie sonstige Leistungen. Ferner gilt die Ausnahme auch...